Dobrowolski, Dagobert

Aus der Offenbach Post vom 13.7.2022:
Trau­er um Da­go­bert Do­bro­wol­ski

Dagobert Dobrowolski Heimatforscher
Der Hei­mat- und Ge­schichts­ver­ein sowie die Kol­pings­fa­mi­lie Diet­zen­bach haben ein wert­vol­les Mit­glied ver­lo­ren: Da­go­bert Do­bro­wol­ski ist im Alter von 83 Jah­ren ver­stor­ben. Sein un­er­müd­li­ches Be­stre­ben, den Men­schen die Ge­schich­te nä­her­zu­brin­gen, bleibt si­cher­lich vie­len Diet­zen­ba­chern im Ge­dächt­nis. Ob his­to­ri­sche Vor­trä­ge ge­we­sen, die er im Mu­se­um hielt, oder Alt­stadt­füh­run­gen – Da­go­bert Do­bro­wol­ski hat Ge­schich­te le­ben­dig wer­den las­sen. Ins­be­son­de­re die alten Römer und die NS-Zeit hat­ten ihn be­schäf­tigt, und die­ses In­ter­es­se wuss­te der ehe­ma­li­ge Leh­rer zu über­tra­gen. Da­ne­ben hat er stets an den Luft­an­griff, die „Bom­ben­nacht“, vom 20. auf den 21. Sep­tem­ber 1941 er­in­nert, sowie die Ge­schich­te der Bun­ker er­forscht, die in­fol­ge­des­sen im Dorf im Wie­sen­grün er­rich­tet wor­den waren. Doch neben der Lei­den­schaft für Ge­schich­te lag ihm auch das Ge­mein­wohl sehr am Her­zen: Bei der Tafel pack­te Do­bro­wol­ski kräf­tig an, in der Kol­ping­fa­mi­lie or­ga­ni­sier­te er den Wit­wen­treff und war eine Stüt­ze für viele al­lein­ste­hen­de Damen – er selbst war eben­falls ver­wit­wet. Zu­letzt zeig­te er sich so­li­da­risch mit ukrai­ni­schen Flüch­ten­den und brach­te auch dies auf seine ge­schätz­te au­then­ti­sche und ehr­li­che Art zum Aus­druck. Er selbst muss­te 1943 mit sei­ner Fa­mi­lie aus der Ukrai­ne flüch­ten und hatte in Diet­zen­bach eine Hei­mat ge­fun­den.  li


Rothman, Charli

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Charli Rothman ist eine der Haupt-Sängerinnen des Ensembles „Saitensprung“. Doch damit allein gibt sich das Multitalent nicht zufrieden. Denn sie spielt sowohl die Gitarre wie auch die Mandoline und die Saz. Inspiriert durch Horst Schäfer entdeckte sie ihre Begeisterung für interkulturelle Musik. Charli Rothman machte diese zur Identität des Ensembles.

Wie kam es damals zur Gründung des Ensembles Saitensprung?

Ich habe in einem Gitarrenkreis der hiesigen Evangelischen Martin-Luther-Gemeinde Dietzenbach-Steinberg das Gitarre spielen gelernt. Irgendwann fragte mich mein Gitarrenlehrer, Andreas Heymann, ob ich nicht selbst eine Gruppe für Anfänger gründen möchte. Dies habe ich dann im Februar 1983 gemacht. Aus diesem „Gitarrenkreis“ entwickelte sich das Ensemble Saitensprung. Anlässlich eines Jubiläumskonzertes zum 10-jährigen Bestehen der Gruppe musizierten wir erstmalig mit Menschen anderer Religionen und Kulturen zusammen, unter anderem mit Hüseyin Fırat und Ahmet Ovalı. Seither ist Hüseyin fester Bestandteil des Ensembles und Ahmet ein gern gesehener Gastmusiker. Bei diesem Jubiläumskonzert wurde auch der Grundstein für die spätere musikalische Ausrichtung und Zielsetzung gelegt, nämlich musikalisch Brücken zu bauen zu Menschen aus anderen Religionen und Kulturkreisen.

Was fasziniert Sie an der Saz und der türkischen Musik?

Die Saz hat einen ganz besonderen Klang – orientalisch und vielseitig, mal melancholisch, mal beschwingt. Sie besticht durch ihre Vierteltonabstände, die wir hier in der europäischen Musik nicht kennen. Ich liebe türkische Musik ganz allgemein, besonders aber Lieder von Zülfü Livaneli. „Kardeşin Duymaz“ ist praktisch die „Nationalhymne“ der Saitenspringer. Horst Schäfer und ich haben beide bei Hüseyin ein wenig Saz spielen gelernt.

Seit wann sind Sie in Dietzenbach?

Ich bin seit 1971 in Dietzenbach, mit einer kurzen Unterbrechung von 1987-1992, da habe ich in Kronberg gelebt.

Wo kommt Ihre Familie ursprünglich her?

Meine Mutter stammt aus Zerbst/Anhalt, mein Vater aus Frankfurt am Main, und wir haben vor unserem Umzug nach Dietzenbach in Oberstedten bei Oberursel gelebt.

Warum sind Sie nach Dietzenbach gekommen?

1971 stand meine Einschulung an. Der Schulweg in Oberstedten wäre sehr gefährlich gewesen, und ich hätte immer eine stark befahrene Hauptstraße überqueren müssen. Das hat meine Eltern beunruhigt, außerdem war der Anfahrtsweg meines Vaters zu seiner Firma (Verwaltung in Frankfurt und Werk in Offenbach am Main) recht lang, vor allem im Winter, weil damals noch viel mehr Schnee lag. Also beschloss die Familie, anlässlich meiner Einschulung den Umzug in Angriff zu nehmen und fand hier in Dietzenbach-Steinberg ein schönes Haus.

Warum sind Sie in Dietzenbach geblieben?

Ich hatte von klein an immer einen engen Bezug zur Evangelischen Martin-Luther-Gemeinde in Steinberg. Ich ging dort in den Kinderchor und Kindergottesdienst, später wurde ich hier konfirmiert, ging zur Jugendgruppe, Gospelkringel und zum Gitarrenkreis, gründete dann selbst meinen Gitarrenkreis, sang fast 30 Jahre im Kirchenchor und war 18 Jahre am Stück und dann vor Kurzem noch mal aushilfsweise ein Jahr Kirchenvorsteherin. Das hat eine enge Bindung erzeugt. Auch arbeite sich seit 1992 in Dietzenbach bei der Firma DiaSorin Deutschland GmbH, und die beiden Familienunternehmen, die ich von meinen Eltern übernommen habe, sind in Offenbach. Mein Freundeskreis ist hier, und ich fühle mich sehr wohl hier, auch in der Nachbarschaft, in der ich lebe.

Welche Erinnerungen haben Sie an Ihre Jugend in Dietzenbach?

Meine Jugend war sehr stark vom damaligen Pfarrer, Herrn Klaus Keller, geprägt. Er wusste Jugendliche zu begeistern, und in der Gemeinde war immer etwas los. Außerdem habe ich viel Zeit mit Matthias Burgey, einem Nachbarsohn, verbracht, der wie ein Bruder für mich war und ist und heute Konrektor der Astrid-Lindgren-Schule. Wir haben allerlei Streiche ausgeheckt und unsere Freizeit in der Gemeinde und auf unserem Firmengrundstück in Offenbach verbracht. Seine Mutter war meine Grundschullehrerin. Meine Eltern waren beide sehr tierlieb, und so hatten wir immer mehrere Katzen zu Hause, 2 x auch ein „Flaschenlämmchen“, das wir, da die Mutter eine Euterentzündung hatte und ihren Nachwuchs nicht säugen konnte, übergangsweise im heimischen Badezimmer gehalten und mit der Flasche großgezogen haben, bis es keine Milch mehr benötigt hat und wir es wieder nach Offenbach bringen konnten. Unvergessen der erste Ausflug unseres Mohrlis, des schwarzen Lämmchens, das wir im Garten herumtoben ließen und das dann einem völlig irritierten Kater Griebel gegenüberstand. Die Blicke waren unbezahlbar: „Wer bist DU denn??????“

Was gefällt Ihnen an Dietzenbach am meisten?

Die Vielfalt der unterschiedlichen Kulturen, die größtenteils friedlich zusammenleben. Man kann viel voneinander lernen, wenn man sich gegenseitig mit Respekt begegnet und das „Anderssein“ der anderen als Gewinn betrachtet. Der Verein „Zusammenleben der Kulturen in Dietzenbach“ bietet viele solcher Begegnungsmöglichkeiten, die ich sehr schätze, und die Flüchtlingshilfe Dietzenbach e.V. leistet eine hervorragende Arbeit. Im Rathauscenter gehe ich gerne einkaufen und finde dort fast alles, was ich brauche. Und natürlich meine Gemeinde, die Ev. Martin-Luther-Gemeinde in Steinberg.

Was sollte in Dietzenbach geändert werden?

Es gibt leider sehr viel Müll in der Stadt. Viele Menschen werfen ihren Abfall überall hin, wo sie gerade gehen und stehen. Das finde ich schade. Die Säuberungsaktion der Stadt, an der sich alle Mitbürger*innen beteiligen können, finde ich da eine gute Aktion. Außerdem sollte es noch mehr Angebote für Jugendliche geben, vor allem solche, die finanziell und sozial benachteiligt sind.

Was fehlt Ihnen in Dietzenbach?

Eigentlich nichts.

Wo gehen Sie in Dietzenbach gerne essen?

Im „Da Gigi’s“ und im „Casa zum Steinberg“ oder im „La Luna“. Allerdings gehe ich nicht sehr oft essen.

Welche Seite kennen die Dietzenbacher von Ihnen noch nicht?

Vielleicht, dass ich Gründerin und eine der Stifterinnen der Gerhard Krieger-Stiftung bin, die bedürftige Menschen mit Migrationshintergrund und ältere Wiedereinsteiger*innen mit Wohnsitz in Dietzenbach finanziell mit einem kleinen Förderbeitrag dabei unterstützt, den Führerschein zu erwerben oder ihre Fahrkenntnisse wieder aufzufrischen. Und den Umstand, dass ich ein Musical geschrieben habe. Das wird sich aber bald ändern, denn am 1. Mai 2022 ist die Live-Aufführung im „Haus des Lebens“.

Von welcher Person hätten Sie gerne einen Steckbrief und warum?

Gerhard Krieger († 3.10.2004), der jahrzehntelang ein äußerst erfolgreicher Fahrlehrer hier in Dietzenbach war. In seiner Fahrschule haben Menschen aus mehr als 30 Nationen das Fahren gelernt, und er hat ehrenamtlich Fahrschüler*innen, die sich mit dem Ausfüllen der Fragebögen schwer taten aufgrund des „Führerschein-Deutschs“ (soll heißen: den Fachbegriffen der Verkehrstheorie), Nachhilfeunterricht gegeben und die Fragen in einfacheres Deutsch umformuliert. Er nannte das „Lesehilfe“ und hat oft seine Sonntag-Vormittage dafür geopfert.

Ansonsten fällt mir noch unser Pfarrer Uwe Handschuch ein, ein unglaublich engagierter liebenswerter Mensch in unserer Stadt.

Mehr Stoff

Kranz, Herbert

Aus der Frankfurter Rundschau vom 03.12.2008:

Trauer um Herbert Kranz

Im Alter von 85 Jahren ist Herbert Kranz verstorben. Der in der Region allseits bekannte Fernseh-Journalist und Moderator erlitt bei der Produktion einer Sportsendung im Studio einen Herzinfarkt.

Im Alter von 85 Jahren ist am vergangenen Samstag Herbert Kranz verstorben. Der in der Region allseits bekannte Fernseh-Journalist und Moderator erlitt bei der Produktion einer Sportsendung im RTL-Studio in Aschaffenburg einen Herzinfarkt.

Jahrzehntelang arbeitete Kranz, der in Dietzenbach lebte, beim Hessischen Rundfunk, zuletzt produzierte er noch für RTL Bayern aktuelle Sportberichte. Kranz berichtete aber nicht nur über Sport, er betrieb und förderte ihn auch aktiv. In seiner Jugend war er Handballspieler, um später dann – in der Ära von Größen wie Hansi Schmidt und Herbert Lübking – als Sportwart des Deutschen Handball-Bundes wertvolle Funktionärsarbeit zu leisten.

Bekannt war Kranz darüber hinaus als charmanter und humoriger Conferencier zahlreicher Veranstaltungen, unter anderem auch von Sportpressefesten. Zudem war der gebürtige Pfälzer jahrelang die Stimme des Frankfurter Sechstagerennens. (boe)

Hier geht es zum vollständigen Artikel:
https://www.fr.de/sport/sport-mix/trauer-herbert-kranz-11561429.html

Germer, Christel

  1. Wo engagieren Sie sich überall (Verein, Kirchen, Kunst, Politik,
    Wirtschaft, …)

    Ich engagiere mich gerne in meinem Umfeld, wenn ich glaube, dass ich etwas bewegen kann. Der Start war in der Schulpolitik als Sprecher der AG Dietzenbacher Schulen (diese 17 Jahre waren ziemlich erfolgreich für Dietzenbach: kleinere Klassen, zusätzliche Lehrer, eine Vorklasse an jeder Grundschule, Schülerbibliotheken an ALS und HMS, Hausaufgabenhilfe an ALS und HMS, bilingualer Unterricht an HMS und ERS und Bauprojekte mit und ohne PPP etc.). Dann in der Kommunalpolitik, als Stadtverordnete, Magistratsmitglied und dann bis März 2021 als Vorsitzende der Stadtverordnetenversammlung . Ich war nicht unmaßgeblich an der Reaktivierung des Jugendbeirates in Dietzenbach beteiligt, arbeite noch mit beim Integrationskonzept und in den Ausschüssen. Ich bin im Vorstand der Europa Union im Kreisverband, wofür ich bis zum Ausbruch der Corona Pandemie Schüler- und Bürgerfahrten zu den europäischen Institutionen organisiert habe, sowie im Vorstand der Europa Union Hessen. Ich bin Vorsitzende der Seniorenunion Dietzenbach und auch im Vorstand von Kreis und Land dieser Organisation. Über die Seniorenhilfe habe ich mich als Nachhilfelehrerin für Kinder im JUZ – später Bildungshaus – eingebracht. Im Verein für internationale Beziehungen (ViB) kümmere ich mich um die Städtepartnerschaft mit Oconomowoc (USA). Vélizy in Frankreich liegt mir auch sehr am Herzen. Ich bin Mitglied der VHS, eine Zeit lang war ich da auch Vorstandsmitglied. Für die Bedürftigen der Stadt setze ich mich ein als Vorsitzende der Dietzenbacher Tafel, die ich 2005 aufgebaut habe und immer noch leite. Natürlich alles nur gemeinsam mit vielen engagierten und motivierten Mitstreitern.
  2. Seit wann sind Sie in Dietzenbach?
    Ich lebe mit meiner Familie seit 1972 in Dietzenbach, d.h. nunmehr seit 50 Jahren.
  3. Wo kommt Ihre Familie ursprünglich her?
    Nicht meine Familie ist hier „eingewandert“ sondern nur ich, weil ich hier einen guten Arbeitsplatz gefunden habe. Ich bin Österreicherin, in Wien geboren und aufgewachsen. Mein Mann kommt aus Oberhessen. Wir leben – wie gesagt – seit 50 Jahren in Dietzenbach, ich habe aber noch „einen Koffer in Wien“ , wohin wir auch ganz oft fahren.
  4. Warum sind Sie nach Dietzenbach gekommen?
    Mein Mann und ich sind von Frankfurt nach Dietzenbach gezogen, weil die Mieten in Frankfurt zu teuer waren, mein Mann hat zu dieser Zeit wieder studiert.
  5. Warum sind Sie in Dietzenbach geblieben?
    Geblieben sind wir in Dietzenbach, weil wir im Grünen wohnen, mit aller Infrastruktur, die man für eine junge Familie braucht, trotzdem aber die Nähe zu Frankfurt, Hanau, Darmstadt und Offenbach hat. Dies war uns wichtig, weil wir nicht nur die Einkaufsmöglichkeiten, sondern vor allen Dingen die kulturellen Angebote der Städte genutzt haben und auch immer noch nutzen. Seit wir die S-Bahn haben ist vieles noch einfacher.
  6. Was gefällt Ihnen an Dietzenbach am meisten?
    Mir gefällt, dass man in Dietzenbach alles weitgehend zu Fuß erreichen kann. Wir haben hier unsere Kinder großgezogen, haben über die Jahre viele Menschen hier kennen und schätzen gelernt, ich habe mich in der Gemeinde immer wieder eingebracht, viel Anerkennung meiner Arbeit erfahren, das macht mich zufrieden.
  7. Was sollte in Dietzenbach geändert werden?
    Die beiden sozialen Brennpunkte sollten entzerrt werden. Es sollte nicht möglich sein, mit der Not der hierherkommenden Menschen noch Geld zu verdienen, indem man möglichst viele Menschen auf engem Raum unterbringt. Hier gibt es leider fragwürdige Strukturen, die mit unseren Gesetzen nicht beherrschbar sind. Viele Dietzenbacher, äußerst hilfsbereite Menschen, fühlen sich wie ein Hamster im Rad. Kaum hat man ein Problem ein bisschen verbessert, kommt das nächste nach. Dietzenbach sollte nicht länger eine Art „Ankunftsstadt“ sein. Menschen die hier Arbeit und Wohnung gefunden haben, sollten auch hier bleiben.
  8. Was fehlt Ihnen in Dietzenbach?
    Eigentlich fehlt mir nicht viel in Dietzenbach. Ein gemütliches Kaffeehaus wäre nicht schlecht. Außerdem sollte, auch von der Kommunalpolitik her immer für eine ausreichende Versorgung mit niedergelassenen Ärzten gesorgt werden. Kinderarzt, Augenarzt etc. Hier sollte die Gemeinde unbedingt rechtzeitig Anreize bieten.
  9. Wo gehen Sie in Dietzenbach gerne essen?
    Wir gehen nicht sehr viel essen, mein Mann meint ich koche gut! Aber ich mag die Dietzenbacher Gastronomie, man kann immer etwas finden.
  10. Gibt es sonst etwas Besonderes über Sie was Sie erzählen wollen?
    Es gibt aus meiner Sicht nicht so viel, was ich über mich erzählen könnte, was von allgemeinem Interesse wäre. Ich liebe Reisen und Musik, eher die klassische Variante, aber auch Jazz, Freunde treffen, Wandern und Lesen, wofür nicht immer ausreichend Zeit bleibt. Das Wichtigste für mich sind mein Mann, meine Kinder und Enkelkinder. Aus meiner Erfahrung mit jungen Menschen im Bildungshaus bin ich doch immer wieder bestätigt worden, dass auch der Einsatz für Einzelne lohnenswert ist. Und wenn mir heute ein junger Mensch sagt, schau her was aus mir geworden ist, weil Du mir geholfen hast, macht mich dies sehr glücklich. Ich bin fest davon überzeugt, dass Bildung vor Armut schützt. Wobei nicht jeder Mensch Universitätsprofessor werden muss! Ein guter Handwerker, der sein Gebiet beherrscht, ist genauso wichtig.
  11. Von welcher Person hätten Sie gerne einen Steckbrief und warum?
    Es gibt bestimmt viele Menschen in unserer Stadt, die sich engagieren und durch Ihren Beruf, besondere Fähigkeiten oder uneigennützigen Einsatz die Lebensqualität in unserer Stadt positiv beeinflussen.
    Im Moment fällt mir keine Persönlichkeit ein, die mich neugierig machen würde.

Aus der Offenbach Post vom 29.04.2016:

Stadtverordnetenvorsteherin Christel Germer:

Herausforderungen als Lebenselixier

Dietzenbach – Schon seit Jahrzehnten wirkt Christel Germer in verschiedenen Rollen am Geschehen in der Kreisstadt mit. Schulelternbeirätin, Tafel-Vorsitzende, Stadtverordnete und Magistratsmitglied. Seit einer Woche ist sie Stadt- verordnetenvorsteherin. Von Norman Körtge

Ihr neues Amt hat Christel Germer gleich gefordert. Wenn auch noch in erträglicher Weise. Nachdem die CDU-Politikerin am vergangenen Freitag in der konstituierenden Stadtverordnetenversammlung einstimmig zur Stadtverordnetenvorsteherin gewählt worden war, mussten Anfang dieser Woche bereits die vorliegenden Anträge von Magistrat und Fraktionen gesichtet und den jeweiligen Fachausschüssen zugeteilt werden, die übernächste Woche tagen und die Germer jeweils bis zur Wahl eines Vorsitzenden leiten wird. „Es ist überschaubar“, sagt sie.

Neue Herausforderungen zu meistern gehören für die 1943 in Wien geborene Germer zum Lebenselixier. Einige prägende Kindheits- und Jugenderlebnisse haben ihr späteres Handeln mitbestimmt. Sie ist im zerbombten Wien aufgewachsen, hat Armenküchen mitbekommen. Das eine erklärt, warum sie Jahrzehnte später anfing, sich in der Europa-Union zu engagieren und für den europäischen Gedanken zu werben: „Die Europäische Union hat uns schon mehr als 70 Jahre Frieden gegeben“, sagt sie. Und die EU habe es möglich gemacht, dass sie politische Ämter in Deutschland übernehmen darf, denn die 72-Jährige hat nach wie vor nur die österreichische Staatsbürgerschaft. Die persönlichen Erinnerungen an Armut und Hunger nach Kriegsende waren mit ein Grund, warum sie von Anfang an an der Idee einer Dietzenbacher Tafel mitwirkte. Sie gehörte 2005 zu den Gründungsmitgliedern und ist bis heute deren Vorsitzende. „Das ist ein kleines mittelständisches Unternehmen mit 70 Mitarbeitern.“ Sie erzählt von Logistik, Lagerhaltung und Lebensmittelausgabe. 35 Kunden waren es zu Beginn, neulich 209, die freitags anstanden.

Nachdem Germer 1961 die Matura an der Handelsakademie der Wiener Kaufmannschaft abgelegt hatte, arbeitete sie zunächst als Exportsachbearbeiterin in der Stahlindustrie. Nach einer Reise 1964 nach Frankfurt, wo sie als Taufpatin für ihren Cousin geladen war, wurde sie heimisch im Rhein-Main-Gebiet. Sie nahm zunächst eine Stelle als Abteilungssekretärin beim Frankfurter Battelle-Institut an. Dort lernte sie auch ihren späteren Mann Hans kennen, den sie 1967 heiratete. 1966 wechselte Germer zur Firma Mergenthaler Linotype und stieg dort zur Direktionssekretärin auf.

1972 zog es die Germers nach Dietzenbach. Zunächst kaufte das Ehepaar eine Eigentumswohnung im Starkenburgring, dem heutigen Spessartviertel, bevor es 1979 ein Einfamilienhaus am Steinberger Waldrand bezog. 1982 kam die erste Tochter zur Welt, 1985 die zweite. Schnell wuchs bei Christel Germer das Interesse an der Mitarbeit im Elternbeirat. Sowohl in der Astrid-Lindgren-Schule als auch an der weiterführenden Heinrich-Mann-Schule war sie Elternbeiratsvorsitzende. Über ein paar Monate hinweg sogar zeitgleich. „Im Team haben wir viel bewegt“, erinnert sie sich an die Zeit und ist voll des Lobes: „Dietzenbacher sind was Besonderes. Wenn die Leute etwas wirklich wollen, dann engagieren sie sich auch. Das habe ich immer bewundert.“

Über schulpolitische Diskussionen kam Germer schließlich 2005 zur Dietzenbacher CDU. Ein Jahr später wurde sie in die Stadtverordnetenversammlung gewählt, 2011 ebenso und anschließend in den Magistrat, dem sie nun fünf Jahre angehört hat. „Ich habe viel gelernt“, sagt sie über die Zeit. Bedauert habe sie, dass sie nach dem Ausscheiden von Dietmar Kolmer als Erster Stadtrat die einzige CDU-Stimme in dem Gremium gewesen ist. „Aber so ist das halt in der Opposition“, sagt sie und gibt sich ganz als Demokratin. Sie wäre auch gerne weiterhin im Magistrat geblieben, aber die Partei wollte sie lieber als Stadtverordnetenvorsteherin sehen. Dort möchte sie eine vernünftige Streitkultur etablieren. Davon, die AfD zu ignorieren, hält sie nichts. Man müsse sich mit ihr auseinandersetzen.

Hier geht es zum gesamten Artikel:
https://www.op-online.de/region/dietzenbach/neue-stadtverordnetenvorsteherin-christel-germer-schon-einiges-dietzenbach-gemeistert-6355950.html


Aus der Offenbach Post vom 08.09.2017:

Miteinander, nicht gegeneinander

Stadtverordnetenvorsteherin Christel Germer spricht über ihr Amt

Dietzenbach – Christel Germer (CDU) ist seit vergangenen April Stadtverordnetenvorsteherin der Kreisstadt. Von Ronny Paul

Die gebürtige Wienerin wirkt bereits seit Jahrzehnten in verschiedenen Rollen in Diezenbach, etwa als Schulelternbeirätin, Vorsitzende der Dietzenbacher Tafel und als Stadtverordnete. Der CDU trat sie 2005 bei und saß vergangene Legislaturperiode für die Christdemokraten im Magistrat. Im Interview spricht sie darüber, wie sie sich in ihrem Amt zurechtfindet und welche politischen Beobachtungen sie seit ihrem Antritt gemacht hat.

Frau Germer, Sie sind nun mehr als ein Jahr Stadtverordnetenvorsteherin. Haben Sie den Schritt jemals bereut?

Bisher kann ich mich auf eine gute Arbeit mit den Kollegen stützen, auch auf eine gute Zusammenarbeit mit dem Gremienmanagement der Stadtverwaltung. Bisher gab es keinen großen Ärger, von daher kann ich nicht sagen, dass ich es bereut hätte.

Es macht Ihnen Spaß…

Ja, es ist eine interessante und verantwortungsvolle Aufgabe.Was sind die Schwierigkeiten, mit denen Sie sich herumschlagen müssen?Schwierig ist die Auslegung der Hessischen Gemeindeordnung (HGO), wenn die Kollegen da unterschiedlicher Meinung sind und wie man sie dann auch richtig anwendet. Jeder möchte gerne nach der HGO und nach der Geschäftsordnung handeln, aber nicht jeder ist da so ganz firm. Das sind – in Anführungsstrichen – die einzigen Schwierigkeiten.

Worin liegen die Unterschiede zur Arbeit im Magistrat?

Der Magistrat ist ein vorbereitendes Organ. Die meisten Vorlagen, die zur Entscheidung im Stadtparlament anstehen, kommen aus dem Magistrat. Der Magistrat ist ein Filter für all diese Dinge. Wenn der Magistrat einer Vorlage nicht zustimmt, kommt sie erst gar nicht in die Stadtverordnetenversammlung (SVV). Magistratsarbeit ist weniger in der Öffentlichkeit, aber ansonsten eine wichtige Aufgabe.

Und die SVV?

Was mir beim Parlament immer noch ein bisschen fehlt, ist die Aufmerksamkeit der Bevölkerung. Die Bevölkerung kennt einen Bürgermeister, einen Ersten Stadtrat, aber das Parlament, das immer öffentlich tagt, hat meiner Ansicht nach zu wenig Besucher. Auch die Ausschussarbeit ist interessant. Mit der Einladung zur akademischen Feier „40 Jahre Seniorenbeirat“ erhielt ich eine entsprechende Broschüre, die ich aufmerksam studiert habe. Und da ist das Stadtparlament nur ganz beiläufig erwähnt. Obwohl der Seniorenbeirat ein Hilfsorgan der SVV ist. Der einzige, der das Parlament in seinem Grußwort würdigt, ist der Landesvorsitzende des Seniorenbeirats. Und das zeigt mir ein bisschen, dass das Parlament bei der Bevölkerung irgendwie nicht so gewichtet wird. Der Bürgermeister kann alleine gar nicht so wahnsinnig viel entscheiden, das Parlament hebt die Hände für Millionen von Geldern, die der Steuerzahler dann zu tragen hat. Die Bedeutung der SVV kommt mir da zu kurz.

Apropos Hilfsorgane: Wie ist der Jugendbeirat bislang angekommen?

Der Jugendbeirat ist schon angekommen. Aber die jungen Menschen sind in ihrer Berufsausbildung, sie entwickeln sich weiter, sie ziehen weg, sie gehen zum Studium. Da ist Kontinuität schwierig. Grundsätzlich haben wir ein Interesse daran, dass es den Jugendbeirat gibt, damit auch Vorstellungen und Wünsche der Jugend ins Parlament einfliessen. Aber wir haben in letzter Zeit gemerkt, dass es nicht ganz so funktioniert. Auch der Jugendbeirat selbst hat sich in der SVV geäußert, dass sie sich nicht genügend unterstützt fühlen. Die Unterstützung ist aber da, sie müssen sie auch wahrnehmen.

Haben Sie sich bei Ihrer Vorgängerin Kornelia Butterweck informiert, bevor Sie das Amt übernommen haben?

Wir haben ein gutes Verhältnis. Ich hätte mich überhaupt nicht zur Verfügung gestellt, hätte sie das weitermachen wollen. Ich habe mich auch bei ihr informiert, wie sie Sitzungen geleitet hat und mich auch intensiv mit dem Gremienmanagement befasst. Jede Sitzung bereite ich mit der Abteilung von Gudrun Gehrmann vor und bespreche alles. Das gibt mir eine gewisse Sicherheit. Es kommen in der SVV trotzdem häufig noch viele Dinge hoch, die plötzlich geregelt werden müssen.

Das vollständige Interview lesen Sie in der aktuellen Printausgabe der Offenbach-Post vom 8. September.

Hier geht es zum vollständigen Artikel:
https://www.op-online.de/region/dietzenbach/stadtverordnetenvorsteherin-christel-germer-spricht-ueber-dietzenbach-8663727.html


Aus der Offenbach Post vom 26.09.2020:

„Helfer verdienen Respekt“

Interview mit der Dietzenbacher Tafel-Vorsitzenden

Hinter der Dietzenbacher Tafel liegen schwierige Monate. Wochenlang konnte der Verein wegen des Coronavirus keine Lebensmittel an Bedürftige ausgeben, vieles musste vor dem Neustart am 16. Juni anders konzipiert werden.

Dietzenbach – Trotz aller Widrigkeiten gibt es in diesem Jahr auch etwas zu feiern: das 15-jährige Bestehen der Dietzenbacher Tafel. Im Interview spricht Christel Germer, die Vorsitzende des Vereins, über dessen Anfänge und Zukunft.

Von Anfang an sind Sie die Vorsitzende der Dietzenbacher Tafel, haben die Gründung maßgeblich mitgestaltet und die ersten Schritte miterlebt. Welche Herausforderungen hatten Sie und Ihre Mitstreiter anfangs zu meistern?

Wir haben uns an der Langener Tafel orientiert, die damalige Leiterin hat uns ihr Konzept vorgestellt. Dann haben wir den Sprecher der hessischen Tafeln eingeladen, der uns behilflich war, eine entsprechende Vereinssatzung zu erstellen. Wichtig war uns schon damals, unter den Dachverband der Bundestafel zu schlüpfen und damit den Namen „Tafel“ verwenden zu dürfen. Zunächst mussten wir uns überlegen, wie und an wen wollen wir verteilen. Dann mussten wir uns auf den Weg machen und schauen, wo wir die Lebensmittel herbekommen.

Zahl der Kunden nahm ständig zu

Wie reagierten Bedürftige auf das damals neue Angebot in der Stadt?

Die Zahl der „Kunden“ nahm ständig zu. Hatten wir am Anfang 35 Personen, waren es nach einigen Monaten schon über 100. Dahinter standen immer Familien, die sehr oft viele Kinder hatten. Wir waren auch ein Treffpunkt für diese Menschen, denen wir Kaffee oder Tee und von diversen Bäckern gespendete Kuchenstückchen anboten.

Würden Sie sagen, dass sich die Arbeit von Ihnen und den anderen Helfern heute, 15 Jahre später, anders gestaltet als damals?

Mittlerweile kommen wöchentlich 150 Menschen zur Ausgabe, insgesamt versorgen wir sicher mindestens 800 Dietzenbacher. Und es hat sich alles weiterentwickelt. Unser Aktionsradius musste größer werden, um Lebensmittel zu bekommen, was mehr Personal und höhere Transportkosten bedeutet.

Die Arbeit der Tafel funktioniert nur dank ehrenamtlicher Helfer und viele Vereine haben Probleme, Menschen für ein Ehrenamt zu gewinnen. Wie sieht es bei Ihnen aus?

Der Verein hat circa 200 Mitglieder, davon 60 bis 70 Aktive. Nun sind meine Mitstreiter fast alle mit mir alt geworden. Es gibt ganz viele, die von Anfang an dabei sind, und das weiß ich sehr zu schätzen. Natürlich haben wir einige durch Alter, Krankheit oder Tod verloren, die Menschen fangen bei uns ja erst im Rentenalter an. Aber wir haben auch immer wieder rüstige Rentner dazubekommen. Wohlgemerkt alles Menschen, die ohne jede Aufwandsentschädigung ehrenamtlich tätig sind. Sie verdienen alle großen Respekt.

Christel Germer: „Bisher findet alles im Freien statt, daher fürchten wir den Winter.“

Seit Monaten befindet sich die Tafel in einer so noch nie da gewesenen Situation. Wie wirkt sich die Pandemie auf Ihre Arbeit aus?

Nach einer dreimonatigen Schließung haben wir ein Konzept erarbeitet, wodurch wieder eine Ausgabe im begrenzten Umfang möglich war. Seit dem 16. Juni sind wir nun an der frischen Luft, auf dem Kirchplatz der Gemeinde St. Martin, tätig. Eine Bewirtung der Kunden ist nicht mehr möglich. Die Helfer haben kaum Kundenkontakt, wir packen große Papiertüten und geben diese aus. Die Helfer sind in ihrer Zahl begrenzt und müssen die Abstände einhalten. Die Kunden werden nach bestimmten Uhrzeiten bestellt, haben Maskenpflicht und müssen ebenfalls Abstand halten. Bisher findet alles im Freien statt, daher fürchten wir den Winter.

Wie sehen Sie in Zukunft die Rolle der Tafeln, in Dietzenbach und deutschlandweit?

Als wir angefangen haben, gab es deutschlandweit 250 Tafeln, jetzt sind es fast 1000 – nicht mitgerechnet die vielen Einrichtungen, die sehr ähnliche Arbeit machen, aber nicht bei der Bundestafel organisiert sind. In Hessen hat sich daher ein Tafelverband gegründet, dem 55 Tafeln angehören. Grundsätzlich sind die Tafeln ja angetreten, um zu verhindern, dass Lebensmittel vernichtet werden. Verteilen an Bedürftige war dann die Konsequenz. Ich sehe es als schwierig an zu sagen, wie viele Menschen auf die Tafeln angewiesen sein werden. Bei hoher Arbeitslosigkeit natürlich mehr, bei Flüchtlingsströmen auch. Ich persönlich meine aber, dass es hier nicht zu einer staatlichen Regelung kommen sollte, auch wenn die Ehrenamtlichen oft an ihre Grenzen stoßen. Wir machen das freiwillig, ehrenamtlich und niemand hat einen Rechtsanspruch darauf, bei der Tafel bedient zu werden. Bei staatlichen Einrichtungen ist das anders. Man könnte meiner Ansicht nach weniger produzieren und wenn nötig die Sozialsätze erhöhen. Es würde vielleicht weniger weggeworfen und die Menschen könnten kaufen, was sie benötigen. Aber ich glaube, so einfach ist das nicht. Es wird immer Menschen geben, die mit ihrem Einkommen auskommen, andere nicht. Und die Produktion so auszurichten, dass nichts übrig bleibt, geht sicher auch nicht.

Was wünschen Sie sich für die Dietzenbacher Tafel, aber auch für die Menschen, die diese Unterstützung in Anspruch nehmen?

Für die Dietzenbacher Tafel wünsche ich mir ein kompetentes Nachfolgeteam, denn – wie bereits erwähnt – wir sind alle in die Jahre gekommen. Und immer ausreichend Ware, um die Menschen, die zu uns kommen, auch weiterhin zu unterstützen. Denn eines ist sicher: Durch unsere Hilfe bleibt den Menschen etwas Geld, um sich andere Teilhabe in der Gesellschaft leisten zu können.

Das Gespräch führte Lena Jochum.

Hier geht es zum vollständigen Artikel:
https://www.op-online.de/region/dietzenbach/helfer-verdienen-respekt-90053675.html


Aus der Offenbach Post vom 08.05.2021:

Christel Germer über ihre Amtszeit als Stadtverordnetenvorsteherin

„Da ist schon mal einer eingenickt“

Fünf Jahre lang war sie Stadtverordnetenvorsteherin. Seit Jahrzehnten beeinflusst sie in unterschiedlichen Positionen das Stadtgeschehen in Dietzenbach: Christel Germer.

Dietzenbach – Im Interview blickt sie zurück auf eine ereignisreiche Zeit in der Dietzenbacher Politik unter Pandemie-Bedingungen und gibt einen Einblick in das Amt der ersten Bürgerin der Stadt.

Frau Germer, welchen Einfluss hatte die Pandemie auf ihre Arbeit als Stadtverordnetenvorsteherin?

Corona hat einiges durcheinandergebracht. Vergangenes Jahr mussten wir eine Stadtverordnetenversammlung zu Beginn der Pandemie ausfallen lassen. Das war natürlich nicht schön. Es mussten passende Räumlichkeiten gefunden werden, da das Capitol noch umgebaut wurde. Vom Land Hessen wurden dann schnell Gesetze auf den Weg gebracht, sodass wir zumindest in der Lage waren, einen Haushalt für ein Jahr im Haupt- und Finanzausschuss auf den Weg zu bringen.

Was hat Ihnen die Verantwortung im Amt bedeutet?

Ich finde, dieses Amt ist eine ehrenvolle Aufgabe. Ich habe mich immer besonders gefreut, wenn ich zu Vereinsterminen und Vereinsfeiern eingeladen war und vielleicht auch noch um ein Grußwort oder eine kurze Rede gebeten wurde. Ich habe dabei die Vereinslandschaft gut kennengelernt. Bei den Ehrungen der Vereinsmitglieder hat man auch viel über die Arbeit und das Miteinander in den Vereinen erfahren. Besonders am Herzen lagen mir als glühender Europäerin die diversen Städtepartnerschaften. Genauso war es mit öffentlichen Auftritten und Repräsentationsaufgaben, wie Abiturfeiern, Schuljubiläen, Musikfesten, Einladungen der IHK, des Kreises Offenbach, dem Volkstrauertag und nicht zuletzt dem jährlichen Neujahrsempfang, der ja in diesem Jahr wegen der Pandemie ausgefallen ist. Schade, es wäre mein letzter gewesen.

Welches Wochenarbeitspensum hatten Sie?

Ich habe keine Schätzung, arbeitete immer nach Arbeitsanfall. Ich habe versucht, alle Dinge möglichst sofort zu erledigen, damit sich nichts ansammelt. Die Teilnahme an den Ausschusssitzungen war mir immer wichtig, um die Argumentation der Fraktionen zu den Anträgen zu erfahren. Es gibt ja nur Ergebnisprotokolle, deshalb kann man eben nicht alles nachlesen.

Nach welchen Kriterien haben Sie die Tagesordnung zusammengestellt?

Die Zusammenstellung der Tagesordnung unterliegt den Regeln der Hessischen Gemeindeordnung. Viel Spielraum hat ein Stadtverordnetenvorsteher da nicht, es sei denn, er verletzt seine durch das Amt vorgegebene Neutralität. Die Tagesordnung wird auch immer im Einvernehmen mit dem Magistrat erstellt. Auch hier unterstützt das Gremienmanagement. Mit dem amtierenden Bürgermeister konnte ich mich auch immer sehr gut abstimmen.

Was konnten Sie von Ihrem Platz aus während der Stadtverordnetenversammlung so alles beobachten?

Solange wir noch im Rathaussitzungssaal getagt haben, war alles überschaubarer. Die Mitglieder waren näher dran und sehr aufmerksam. Im Capitol ist schon mal einer eingenickt.

Welches Ereignis ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?

Meine persönliche Einladung zur Verabschiedung von Bundespräsident Joachim Gauck in Berlin und meine Ehrung mit dem Landesehrenbrief des Landes Hessen.

Welchen Tipp geben Sie ihrer Nachfolgerin?

Ich gebe keinen Tipp. Meine Nachfolgerin hat genug parlamentarische Erfahrung, um dieses Amt auf ihre Weise auszufüllen.

Bleiben Sie nach dem Ausscheiden als Stadtverordnetenvorsteherin der Kreisstadt mit weiterem Engagement erhalten?

Es hat mir Freude gemacht mich für die Stadt, in der ich seit 1972 lebe, mit viel persönlichem Engagement einzubringen. Ich bin immer noch im Landesvorstand der Senioren-Union, im Landesvorstand der Europa-Union und leite die Dietzenbacher Tafel seit 16 Jahren. Das werde ich langsam eher reduzieren.

Das Gespräch führte Lukas Reus

Hier geht es zum vollständigen Artikel:
https://www.op-online.de/region/dietzenbach/da-ist-schon-mal-einer-eingenickt-90526997.html

Meyer, Dr. phil. Klaus

  • hat ein Vierteljahrhundert in Dietzenbach in der Hessischen Jugendbildungsstätte gearbeitet
  • Engagement in der Solidaritätsarbeit für Nicaragua und Kuba
  • Vereinsaktiver beim Monimbó e.V.
  • Er setzte sich für das Wandbild aus Nicaragua (Künstlergruppe “Diriangen”) ein, was an das Rathaus gehängt werden sollte. Die politische Mehrheit verhinderte dies.

Aus der TAZ vom 21. 8. 1998:

Freiheit, die wir meinen
Vom hessischen Dietzenbach nach Berlin-Kreuzberg: Die von „rechtschaffenen“ Bürgern erzwungene Odyssee eines lateinamerikanischen Wandgemäldes  ■ Von Peter Nowak

Aus dem Urlaub zurückkehrende KreuzbergerInnen werden sich verwundert die Augen reiben. An der Häuserwand Oranienstraße Ecke Manteuffelstraße, dort wo seit den 80er Jahren politische Losungen und Wandmalereien nicht selten den Zorn von PolitikerInnen auf sich zogen, werden dann auf einem riesengroßen Gemälde Szenen aus der Geschichte des amerikanischen Subkontinents zu sehen sein.
Neben namenlosen Indigenas mit Fahnen und Spruchbändern dürfen die lateinamerikanischen Freiheitshelden der verschiedenen Epochen nicht fehlen: Simon Bolivar, Tupac Amaru, Sandino, Salvador Allende und natürlich Che Guevara. Das Bild erinnert nicht zufällig an die als Revolutionstrophäen aus dem sandinistischen Nicaragua der 80erJahre so beliebten Wandteller und Postkarten. Es wurde von vier KünstlerInnen aus der nicaraguanischen Stadt Masaya in Zeiten gemalt, als auch manche Stadtverwaltungen noch von Nicaragua libre schwärmten.

Dazu gehörte auch die rot-grün regierte hessische Kleinstadt Dietzenbach, die 1985 eine Städtepartnerschaft mit Masaya geschlossen hatte. Mehrere KünstlerInnen aus Masaya wollten ihrer deutschen Partnerstadt als Dank für die Solidarität mit Nicaragua ein Wandbild schenken. Bei der Dietzenbacher Stadtratsmehrheit stieß das Projekt auf große Zustimmung. Man wollte den KünstlerInnen zum 500. Jahrestag der „Entdeckung“ Amerikas im Jahre 1992 die Möglichkeit geben, dieses Jubiläum aus der Perspektive der „Entdeckten“ darzustellen. Das Gemälde sollte an exponierter Stelle an der Außenwandfläche des Dietzenbacher Rathauses angebracht werden. Doch dazu sollte es nicht kommen.

Mit populistischen Parolen mobilisierten die örtliche CDU und eine extra zur Verhinderung des Gemäldes gegründete rechtspopulistische WählerInnengemeinschaft „Bürger für Dietzenbach“ die schweigende Mehrheit. In Briefen an alle Dietzenbacher WählerInnen hieß es: „Keine politischen Diffamierungsversuche am Rathaus oder an einem anderen Ort. Wir Dietzenbacher haben andere Sorgen.“ Ein CDU-Stadtverordneter wollte statt des exotischen Gemäldes ein Bild über die Vertreibung der Deutschen nach dem 2. Weltkrieg am Rathaus anbringen lassen. Auf Druck der Opposition wurde eine BürgerInnenbefragung angesetzt, an der sich allerdings nur knapp 20 Prozent der Wahlberechtigten beteiligten, von allerdings 80 Prozent gegen das Bild votierten Klaus Mayer vom Verein „Monimbo e.V.“, der sich für das Gemäldes einsetzte: „Einer ganzen Reihe von Menschen in Dietzenbach war es leichtgefallen, die meist sehr positiv geschätzte Solidaritätsarbeit mit Spenden oder städtischen Zuschüssen zu unterstützen. Daß jetzt aber Künstler aus diesem Land ihre Sicht der Welt und ihre Version der Ursachen der Armut in ihrem Land, an dem wir mitschuldig sind, darstellten, das möchte man auch als hilfsbereiter Mensch nicht hinnehmen.“ Besonders die SPD habe sich wachsweich verhalten und insgeheim von dem Bild distanziert, meint Mayer. Auch an der SPD-Basis fanden die Parolen der GegnerInnen Gehör, wie das Debakel für die SPD bei den folgenden Kommunalwahlen zeigte.

Seit 1992 tingelte der Auslöser des ganzen Streits dann als Wanderbild quer durch die Republik. Mal machte es Station auf dem evangelischen Kirchentag, dann hing es für einige Zeit an einem Jenaer Einkaufszentrum, zuletzt in der Potsdamer Innenstadt. Ab Samstag soll es nun in Kreuzberg einen festen Platz bekommen. Mit Widerstand gegen das Gemälde ist dort nicht zu rechnen. Eher bestünde die Gefahr, daß es im bunten Kreuzberger Flair nicht richtig wahrgenommen wird, befürchtet ein Berliner Mitorganisator. Die Enthüllung und Präsentation wird mit einem Straßenfest begangen. Die Aktion läuft im Rahmen der bundesweiten „Karawane für die Rechte von Flüchtlingen und MigrantInnen“.

Hier geht es zum gesamten Artikel:
https://taz.de/Freiheit-die-wir-meinen/!1329387/


Aus der Zeit vom 3.4.1992:

Der Teufel an der Rathauswand
Ein Held, ein Schuft und ein umstrittenes Kunstwerk
Von Hartmut Blinten

Dietzenbach

Hans Schmandt, der örtliche Maler-Senior, wählte für den Eklat die Bühne. Bei einer Vernissage in der Galerie seines Künstlerfreundes Karl-Heinz Wagner schleuderte er vor ausgewähltem Publikum die Kulturpreis-Medaille dem Bürgermeister Jürgen Heyer wie einen Fehdehandschuh vor die Füße. Der Sozialdemokrat empörte sich zwei Tage später, als er die Sprache wiedergefunden hatte: “Das war ein blanker Affront gegen mich.”

Mit seinem Tiefschlag setzte der lokale Kunstpapst einen vorläufigen Höhepunkt in einem Streit, der dietzenbachtypische Züge trägt: ein Held (der Künstler Schmandt), ein Schuft (der Kommunist Weilmünster) und die Kanalgebühren im Hintergrund.

Auf der Strecke bleibt dabei voraussichtlich ein Wandbild, mit dem die Künstlergruppe “Diriangen”, benannt nach einem Nica-Häuptling aus der nicaraguanischen Partnerstadt Masaya, zum Kolumbus-Jubiläum 500 Jahre europäische Segnungen für Lateinamerika thematisieren will. Das Bildnis, das sieben Meter breit und siebzehn Meter hoch auf der Rathaus-Eckwand einen Blickfang bilden würde, führt den Passanten in Augenhöhe die Ahnengalerie lateinamerikanischer Revolutionäre vor: Simon Bolivar und Tupac Amaru, Sandino, Che Guevara und Salvador Allende.

Fidel Castro ging schon bei einem Vorentwurf über den Deich, ebenso verschwanden der Raketenkranz auf dem Kopf der Freiheitsstatue und die Totenköpfe im US-Banner. Nur noch für Weitsichtige erkennbar ist ganz oben links die Ausrottung der Hoch- und Primitivkulturen des Subkontinents. Der Gruppensprecher Noel Calero: “Wir malen die Realität, in der unsere Völker leben.”

Pate des Projekts auf Dietzenbacher Seite ist Richard Weilmünster, der letzte Ur-Dietzenbacher im Magistrat und der einzige kommunistische Stadtrat in Hessen. Er dichtete seine Pläne nach dem Prinzip ab, daß man Bäume am besten im Wald versteckt. Zur Diskussion über jede einzelne Entwicklungsstufe lud er öffentlich ein, aber kaum jemand kam – vor allem nicht der Dietzenbacher Künstlerkreis um Schmandt und Wagner. 15 000 Mark Komplementärfinanzierung der Stadt wurden im Etat verankert, aber die CDU-Opposition erkundigte sich lediglich, warum die Summe beim Untertitel “Bürgerhaus” verbucht wurde. Aus der insgesamt neunstündigen Diskussion über die Bildentwürfe zog sich der CDU-Vertreter nach fünfzehn Minuten zurück.

Feuer bekam Weilmünster dann aber aus einer Ecke, mit der er nicht gerechnet hatte. Ein Schmandt-Freund, der Graphiker Günther Schwinn, machte mobil: “Hier geht es um eine Partnerschaft mit Sandiriisten, die von der Mehrheit der Bevölkerung nicht getragen wird.” Er investierte 1200 Mark in eine sechsspaltige Anzeige im Stadtanzeiger (“Wir sind dagegen”) und sammelte über 3000 Unterschriften. Schwinn über seinen Erfolg: “Da ist so viel anderes passiert, da war das Wandbild nur noch der Tropfen, der das Faß zum Überlaufen gebracht hat.” Das andere sind vor allem die neuen Kanalgebühren, die – ökologisch gesehen – sehr fortschrittlich, aber so kompliziert sind, daß sie die Stadtverwaltung nicht in den Griff bekommt. Seit mehr als einem Jahr jagen sich Gebührenbescheide und Widersprüche. Schaden hat zwar außer der Stadt noch niemand erlitten, aber die Bürger sind pikiert.

Der Teufel an der Rathauswand – Seite 2
Hans Schmandt, der das Wandbild nicht für “ein Werk der Kunst, sondern der Propaganda” hält, erinnert sich an die Zeiten, als sich die städtische Kulturpolitik im Grußwort des Bürgermeisters bei Vernissagen erschöpfte: “Früher gab es eine offene Politik. Da konnte man leben und leben lassen. Heute ist das alles einseitig ausgerichtet.” Sein Künstlerkreis sagte vorsorglich die Weihnachtsausstellung 1992 im Rathaus ab. Kollege Wagner, Genosse seit 23 Jahren, gab nach der ersten von zwei SPD-Versammlungen zu dem Wandbild sein Parteibuch zurück.

In der vergangenen Woche kapitulierte Richard Weilmünster nun mit einer persönlichen Erklärung in der Stadtverordnetenversammlung vor so viel Widerstand: “Den allgemeinen Unmut der Bevölkerung gegen dieses Projekt habe ich unterschätzt.” Er nahm Abschied von seiner Idee, mit dem Wandbild aus der Spenden-Einbahnstraße Dietzenbach-Masaya einen lebendigen Dialog zwischen hüben und drüben zu entwickeln: “Mir ging es um mehr, als nur unsere Position als Gönner bestätigen zu lassen.”

In der Niederlage erkannte der Stadtrat aber noch einen Funken Hoffnung. Vielfach habe sich, so sinnierte er, der Protest nicht gegen das Bild als solches, sondern gegen die Rathauswand als Malfläche gewandt. Damit hätten sich die Dietzenbacher erstmals in sechzehn Jahren mit dem Rathaus auf der grünen Wiese, dem Symbol einer umstrittenen städtebaulichen Entwicklung, identifiziert.

Für die nächste Parlamentssitzung kündigte Weilmünster “geeignete Vorschläge” der Unabhängigen Kommunisten “für andere Formen der Herangehensweise” an das Thema Kolumbus-Jubiläum an. Hartmut Blinten

Hier geht es zum gesamten Artikel:
https://www.zeit.de/1992/15/der-teufel-an-der-rathauswand/komplettansicht

Proescholdt, Joachim

  • 1927–2015 Pfarrer i.R.
  • Nach Reichsarbeitsdienst, Kriegsdienst und Kriegsgefangenschaft Abitur im Augustinergymnasium in Friedberg,
  • Studium der Theologie in Marburg, Mainz und Basel/Schweiz.
  • Ab 1953 Vikariatszeiten in Niederflorstadt/Wetterau und an der Lutherkirche in Frankfurt am Main,
  • 1955 Ordination in der Stadtkirche in Rüsselsheim,
  • 1956 Pfarrdienst in Obersaulheim und Udenheim,
  • 1957-1972 in Wörrstadt und Rommersheim/Rheinhessen,
  • im Nebenamt stellvertretender Dekan, zeitweilig: Propsteibeauftragter für Männerarbeit in Rheinhessen,
  • Öffentlichkeitspfarrer und Dekanatsjugendpfarrer, Mitwirkung an kirchlichen Sendungen im Südwestfunk.
  • 1972-1992 Pfarrer an der St. Katharinenkirche Frankfurt am Main, Initiator der Stadtkirchenarbeit.
  • Lebte seit seiner Pensionierung 1992 in Dietzenbach.
  • Seit 1991 als Senioratsmitglied des Ev.-luth. Predigerministeriums Vorträge zur Frankfurter Kirchengeschichte
  • und Leitung von Studienreisen im In- und Ausland.

Veröffentlichungen:

  • Menschen – Skulpturen von Franziska Lenz-Gerharz, Frankfurt am Main o. D.;
  • St. Katharinen zu Frankfurt am Main, herausgegeben: Frankfurt am Main 1981, ²1993;
  • St. Katharinen zu Frankfurt am Main, Kunstführer, München 1982;
  • Dein Himmel ist wie ein Teppich – Glasmalereien von Charles Crodel in Frankfurt am Main, Frankfurt am Main 1988;
  • Evangelischer Kirchenkalender für Frankfurt am Main – Daten zur Frankfurter Kirchengeschichte, Schriftenreihe des Ev. Regionalverbandes 21, Frankfurt am Main 1996;
  • Der Staat ist das Volk – Evangelische Pfarrer und Theologen in der Frankfurter Nationalversammlung, in: Martin Zentgraf (Hg.), Frankfurter Paulskirche 1848 – 1998 – Zur Geschichte des Paulskirchen-Parlaments, Schriftenreihe des Ev.-luth. Predigerministeriums 4, Frankfurt am Main 1997;
  • Was sie dachten, was sie glaubten – Theologien und Frankfurter Theologen im 20. Jahrhundert, in: Jürgen Telschow (Hg.), Alles hat seine Zeit, 100 Jahre evangelische Kirchengemeinden im alten Frankfurter Stadtgebiet, 100 Jahre evangelischer Gemeindeverband, Frankfurt am Main 1999;
  • Frankfurter Juden – Von der Ausgrenzung bis zur Emanzipation. Vom Antisemitismus zur Shoah, in: Joachim Proescholdt (Hg.), Minderheiten in Frankfurt am Main – Vom Umgang mit Andersdenkenden – Andersglaubenden – Anderslebenden, Schriftenreihe des Ev.-luth. Predigerministeriums 5, Frankfurt am Main 2000.
  • Emporenmalerei aus St. Katharinen – Ein Frankfurter Kleinod, Studienband zur Frankfurter Geschichte 56, Frankfurt am Main 2007.
  • zusammen mit Jürgen Telschow, Frankfurts evangelische Kirchen im Wandel der Zeit, Frankfurt am Main 2011.

Elmi, Nicola

Von San Michele in Italien nach Dietzenbach

Nicola Elmi (geb. 27.2.1941)


Aus dem Heft “Neue Heimat Dietzenbach – Auf den Spuren der ersten Gastarbeiter” 2001:

Warum in die Fremde?

Wir lebten damals mit acht Geschwistern (vier Buben und vier Mädchen) in San Michele im Kreis Bari in Apulien, tief im Süden Italiens. Ich war 19 Jahre alt, arbeitete als Maurergehilfe und wollte mich verändern und sehen, was es in der Welt gibt. Und natürlich sah ich auch eine Chance, mehr Geld zu verdienen.

In San Michele gab es im Arbeitsamt ein Anwerbebüro für Arbeit in Deutschland. Mein Schwager war schon seit 1958 in Frankfurt bei der Gärtnerei Pier tätig und wollte mich auch gern nachholen.

Ich entschloss mich im Mai 1960 einen Arbeitsvertrag zu unterschreiben und erhielt eine Fahrkarte nach Deutschland. Die erste Station auf der dreitägigen Bahnreise war Verona. Dort wurden wir ärztlich untersucht, und weiter ging es – mit wenig Gepäck, 5000 Lire in der Tasche, mit einem “Fresspaket” und natürlich italienischem Wein in einem
vollbesetzten Zug nach Frankfurt. Uns war es während der Fahrt nicht langweilig. Wir waren alle neugierig, aber auch
befangen und fragten uns, was uns wohl am Ziel erwarten würde.

Mein Schwager hat mich in Frankfurt in Empfang und in Obhut genommen. Er brachte mich gleich zu meinem neuen Arbeitgeber. Die erste Zeit war wie ein Sprung in kaltes Wasser: Meine Arbeitsstelle war in der besagten Gärtnerei Pier. Die Hilfe meines Schwagers war dringend nötig, denn ich konnte kein Wort deutsch und habe zuerst gelernt, mit Händen und Füßen zu reden.
Die Anmeldeformalitäten wurden übrigens durch den Arbeitgeber erledigt. Gewohnt haben wir zu 12 Personen (alles Italiener) im Keller der Gärtnerei. Es gab Etagenbetten(und Ratten). Die sanitären Einrichtungen waren äußerst bescheiden. Gegessen wurde, was die Chefin gekocht hat.
So lernte ich die deutsche Küche kennen und die Unterschiede zur italienischen. Mein erster Lohn betrug 1,00 DM pro Stunde bei einer Sechzig-Stunden-Woche. Von dem Geld habe ich meinen anfangs sehr bescheidenen Lebensunterhalt bestritten und meine Eltern und Geschwister in Italien unterstützt.

Langsam lernte ich deutsch und wurde mit meiner neuen Umgebung vertraut.
Inzwischen hatte auch ein anderer Bruder von mir den Entschluss gefasst nach Deutschland zu gehen und arbeitete als Schlosser bei Rowenta in Offenbach. Dort wurde Personal gesucht. Ich bewarb mich im Januar 1961 und habe am 28.2.1961 bei Rowenta angefangen.

Ich arbeitete morgens in der Kantine und nachmittags im Kundendienst und war dort zuständig für Verpackung, Post- und Warentransport. Mein Anfangslohn betrug 2,30 DM pro Stunde. Ich habe mich bei Rowenta so weit qualifiziert, dass ich auch im Auslandsservice für Gerätereparaturen und Schulung von Servicepersonal tätig sein konnte.

Zur Arbeit bin ich entweder mit dem Firmenbus oder bei gutem Wetter meist mit dem Rad gefahren. Und schließlich hatte ich auch ein Auto. Übrigens bin ich seit 1963 Mitglied der IG-Metall.

Aus dem Keller der Gärtnerei in Frankfurt bin ich in die Nähe meiner Arbeitsstelle nach Offenbach in die Herrnstraße umgezogen und habe dort bis 1964 zusammen mit meinem Bruder gewohnt. Die Miete für mein Zimmer betrug 40 DM im Monat.

Ich habe dann noch einmal gewechselt und bin seit September 1985 bei Siemens in Offenbach im Schrankgerüstbau für Hoch, Mittel- und Niederspannungsanlagen tätig gewesen. Inzwischen hatte sich mein Gehalt auf 2.700 DM
erhöht. Bei Siemens hatte ich auch eine verantwortungsvolle Arbeit, die mir viel Spaß gemacht hat.
Meine Frau, eine Dietzenbacherin, habe ich 1961 bei Rowenta kennen- und lieben gelernt. Wir haben 1964 geheiratet und sind dann nach Dietzenbach gezogen. Unsere beiden Töchter sind in Dietzenbach geboren und in die Schule gegangen.

Bisher habe ich keine Zeit gefunden, einen Deutsch-Sprachkurs zu besuchen. Ich habe, was man an Deutsch für die Arbeit brauchte, schnell gelernt, konnte mich bald gut verständlich machen und hatte dann später in meiner Frau eine gute Lehrerin.

In Dietzenbach habe ich mich von Anfang an intensiv im Ausländerkomitee engagiert, habe manches Fest organisiert und mich für Erleichterungen beim Sport für die AusIänder und u. a. auch für Gottesdienste in italienischer Sprache eingesetzt.

Mein Hobby ist der Radsport. Ich gehöre dem Dietzenbacher Radclub seit 1993 an und habe dort auch Radtouren organisiert, z. B. nach Italien. Pro Jahr bin ich zwischen 8000 und 15000 Kilometer unterwegs. Außerdem wandere
ich und habe auch noch Zeit für unseren Garten.

Durch den Radsport habe ich die Gelegenheit gehabt, viel von Deutschland und Europa zu sehen: ganz Hessen, besonders den Odenwald, die Bergstraße, den Vogelsberg, den Schwarzwald, das Elsaß, Frankreich und nicht zuletzt
Italien. Wir haben auch öfter Urlaub gemacht und waren u.a. im Bayrischen Wald, in Füssen, in Österreich…

Der Lebensabend

Ich bin inzwischen pensioniert und kann endlich zusammen mit meiner Frau mein eigenes Programm machen.
Wir freuen uns an unseren beiden Enkeln. Gott sei Dank haben wir jetzt für unsere Enkel mehr Zeit als damals für unsere Kinder.

Früher bin ich regelmäßig nach Italien gefahren, habe meine Eltern und meine Schwestern besucht und unterstützt. In diesem Januar war ich, nach sieben Jahren Pause, wieder in meiner alten Heimat und habe mich gefreut, alles wie früher anzutreffen.

Ich erfreue mich noch bester Gesundheit und kann nur hoffen, dass es noch lange so bleibt. Ich gebe mir durch meine Lebensweise mit viel Sport und den anderen Hobbys alle Mühe, meine Spannkraft und Gesundheit zu erhalten.


Aus der Stadtpost vom 19.9.2018:

Ausstellung im Museum für Heimatkunde und Geschichte widmet sich der Geschichte der Gastarbeiter in Dietzenbach
„Nicht die Mutter aller Probleme“

Dietzenbach (bw) – Bei einer Ausstellung im Museum für Heimatkunde und Geschichte in der Darmstädter Straße 7+11 in Dietzenbach können Besucher derzeit einen Einblick in die Geschichte der Gastarbeiter bekommen. Die Eröffnung war aber auch geprägt vom ganz aktuellen Zeitgeschehen.

„Mein Blut fließt dort, wo meine Kinder sind“, antwortet Nicola Elmi auf die Frage, ob seine Heimat eher Deutschland oder Italien ist. Er ist einer der vielen „Gastarbeiter“, die in den sechziger Jahren nach Deutschland gekommen sind. Sein Weg hat ihn letztlich nach Dietzenbach geführt und er ist geblieben.

In den Jahren von 1950 bis 1970 boomte die deutsche Industrie und Hilfskräfte wurden dringend gesucht. Um Gastarbeiter aus Italien, Griechenland, der Türkei oder Spanien nach Deutschland zu werben , wurden ab 1955 Anwerbeabkommen zwischen den Ländern geschlossen.

Der Ausländerbeirat Dietzenbach (ALB) hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Geschichte der Gastarbeiter in Dietzenbach aufzuarbeiten und in einer Ausstellung unter dem Namen „Neue Heimat Dietzenbach 2.0 – Auf den Spuren der ersten Gastarbeiter“, zu präsentieren. Sie baut auf der Arbeit von Günter Jahn, Gisela Mauer Dorothea Kutschera auf und ist durch die enge Zusammenarbeit zwischen dem Heimat- und Geschichtsverein Dietzenbach und dem Ausländerbeirat Dietzenbach zustande gekommen.

Die Gastarbeiter lebten in ihren Ländern oft in armen Verhältnissen, deshalb machten sich viele Tausende auf den Weg, um in Deutschland Geld zu verdienen. So wie Elmi, der mit seinen sieben Geschwistern in der Gegend von Bari lebte. Sein Bruder arbeitete bereits in einer Gärtnerei in der Nähe von Frankfurt und animierte ihn, ebenfalls nach Deutschland zu kommen.

Eigentlich sollten die „Gastarbeiter“ nach Ablauf ihres Vertrages wieder zurück in ihre Heimat gehen, doch sehr viele haben sich entschlossen, in Deutschland zu bleiben. Sie haben hier Familien gegründet, ihre Kinder besuchten deutsche Schulen, absolvierten eine Ausbildung oder studierten an deutschen Hochschulen und haben inzwischen selbst ihre eigenen Familien gegründet, Familien mit Migrationshintergrund. Dietzenbach ist eine Stadt, in der mehr als die Hälfte der Einwohner einen Migrationshintergrund haben, darunter auch sehr viele Nachkommen aus „Gastarbeiterfamilien.“

Der Vorsitzende des Heimatvereins, Hans-Erich Scholze, begrüßt die Gäste im komplett gefüllten Saal im Heimatmuseum. „Die Ausstellung ist für Dietzenbach sehr wichtig, denn mehr als 50 Prozent der Bürger haben einen Migrationshintergrund und sie werden unsere gemeinsame Stadt immer weiterentwickeln und verbessern.“

Ziel der Ausstellung sei, dass die Besucher aus erster Hand erführen, wie alles angefangen habe und wie sich die ehemaligen Gastarbeiter heute in Dietzenbach fühlten. Dazu hatte der Ausländerbeirat Zeitzeugen und Nachkommen der Zeitzeugen eingeladen, die in einer spannenden und sehr amüsanten Diskussion in Anekdoten über ihre Ankunft und ihr Leben in dem neuen Land berichteten.

Großes Lob spendet eErster Stadtrat Dieter Lang: „Es ist ein großer Erfolg, dass die Ausstellung zustande gekommen ist.“ Für die Stadt sei diese Ausstellung sehr wichtig, denn sie unterstreiche die Vorbildfunktion Dietzenbachs im Hinblick auf Integration. Den Akteuren sei es gelungen, den ersten Schritt in die Aufarbeitung der Dietzenbacher Geschichte nach 1945 zu machen. Doch Lang sieht den Integrationsprozess noch nicht abgeschlossen „Das Thema der Integration beschäftigt viele Menschen und es dauert länger, als wir erahnt haben“, sagt er. Er wünsche sich, dass die Aufarbeitung weitergeführt werde und in ferner Zukunft eine Ausstellung unter dem Namen „Neue Heimat Dietzenbach 3.0“ stattfinden könnte.

Der Vorsitzende des ALB, Gengiz Hendek, dankt den Mitgliedern des Heimatvereins und des ALBs für die hervorragende Zusammenarbeit. Er wies auf die kommende Abschlussveranstaltung am 14. Oktober hin, zu der alle Beteiligten noch mal eingeladen sind. Moderiert wurde der Abend von Olga Lucas Fernández vom Ausländerbeirat aus Rodgau. Ihre ersten Gesprächspartner waren Gisela Mauer, langjährige Geschäftsführerin des ALB und Gudrun Rahn, Ehefrau von Günter Rahn. Sie berichteten von der ersten Ausstellung, die 2001 zum Hessentag eröffnete wurde, der Kontaktaufnahme mit Gastfamilien, den Interviews bis hin zur fertigen Präsentation. Mauer sieht die Ausstellung genauso aktuell wie 2001, denn heute wie damals verlassen Menschen ihr Heimatland für eine bessere und sichere Zukunft.

Doch sie sieht nicht in der Migration das Übel: „Migration war weder in den sechziger Jahren, noch ist sie heute die Mutter aller Probleme, sondern sie ist die Folge von Armut, ungerechter Verteilung, Kampf um Land und Ressourcen und Macht.“

Ein weiterer Höhepunkt des Abends war die Diskussion mit Nicola Elmi, Paulina Petridou und Ezgi Küpelikelinc. Elmi ist Gastarbeiter der ersten Generation und er berichtete über seine Ankunft, seine Arbeit und seinen Werdegang.

Seine Frau, die aus Dietzenbach stammt, hat er auf seiner Arbeitsstelle kennengelernt. Er wohnt in Dietzenbach und fühlt sich hier sehr wohl. „In Italien kenne ich nur noch meine Familie, sonst keinen. Da bin ich immer der Deutsche“. Aber er fühlt sich auch nicht als richtiger Deutscher. „Ich bin ein Bürger dieser Welt“, sagte er und bekam dafür riesigen Applaus vom Publikum.

Petridou kannte Theo Papadopolous sehr gut. Er war ihr Trauzeuge und Patenonkel ihrer Kinder. Sie fühlt sich sehr wohl in Deutschland und wenn sie in ihr Heimatland kommt, dann ist das wie Urlaub für sie. Ezgi Küpelikelinc ist die Enkelin von Abdi Küpelikilinc. „Ich bin jeden Sommer nach Düzbag in die Türkei geflogen und habe meine Großeltern besucht.“

Dass sie in zwei Kulturen aufgewachsen ist, sieht sie als Vorteil. Sie spricht Türkisch und Deutsch und ist in der Ausbildung zur Mittelstufenlehrerin. „Man hat nie das komplette Zugehörigkeitsgefühl. In der Türkei sind wir die Deutschen. Hier in Dietzenbach fühle ich mich akzeptiert und sehr wohl.“ Alle drei sind Menschen mit Migrationshintergrund.

Die erste Generation ist damals vor Armut nach Deutschland geflohen. Auch heute noch kommen Menschen die vor Krieg, Armut und Hunger fliehen nach Deutschland.

Doch statt die Menschen gastfreundlich zu empfangen, werden und wurden Gastarbeiter und Migranten immer wieder diskriminiert oder verfolgt.

Wie sie die Bilder aus Chemnitz empfinden, wollen wir wissen. „Das ist abscheulich“, sagt Elmi. „Wir müssen den Menschen Arbeit geben, damit sie sich eine Existenz aufbauen können.“

„Ich finde es sehr befremdlich“, sagt Küpelikelinc. „Hier in Dietzenbach fühle ich mich sehr wohl und sicher, aber wenn ich in Chemnitz wohnen würde, wäre es sicher anders.“

Hier geht es zum gesamten Artikel:
https://www.stadtpost.de/stadtpost-dietzenbach/mutter-aller-probleme-id69063.html


Aus der Offenbach Post vom 18.9.2018:

Dietzenbach – Bei einer Ausstellung im Heimatmuseum können Besucher derzeit einen Einblick in die Geschichte der Gastarbeiter bekommen. Die Eröffnung war aber auch geprägt vom ganz aktuellen Zeitgeschehen. Von Burghard Wittekopf

„Mein Blut fließt dort, wo meine Kinder sind“, antwortet Nicola Elmi auf die Frage, ob seine Heimat eher Deutschland oder Italien sei. Er ist einer der vielen Gastarbeiter, die in den Sechzigerjahren nach Deutschland gekommen sind. Von 1950 bis 1970 boomte die deutsche Industrie und Hilfskräfte wurden dringend gesucht. Der Ausländerbeirat Dietzenbach (ALB) hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Geschichte der Gastarbeiter aufzuarbeiten und in einer Ausstellung unter dem Namen „Neue Heimat Dietzenbach 2.0 – Auf den Spuren der ersten Gastarbeiter“ zu präsentieren. Sie baut auf der Arbeit von Günter Jahn, Gisela Mauer sowie Dorothea Kutschera auf und ist durch die enge Zusammenarbeit zwischen dem Heimat- und Geschichtsverein und dem Ausländerbeirat zustande gekommen.

Die Gastarbeiter lebten in ihren Ländern oft in armen Verhältnissen, deshalb machten sich viele auf den Weg, um in Deutschland Geld zu verdienen. So wie Elmi, der mit seinen sieben Geschwistern in der Gegend von Bari lebte. Sein Bruder arbeitete bereits in einer Gärtnerei in der Nähe von Frankfurt und animierte ihn, ebenfalls nach Deutschland zu kommen.

Die Gastarbeiter gründeten in Deutschland Familien, ihre Kinder besuchten deutsche Schulen, absolvierten eine Ausbildung oder studierten und haben inzwischen ihre eigenen Familien gegründet. Der Vorsitzende des Heimatvereins, Hans-Erich Scholze, begrüßt die Gäste im komplett gefüllten Saal im Heimatmuseum. „Die Ausstellung ist für Dietzenbach sehr wichtig, denn mehr als 50 Prozent der Bürger haben einen Migrationshintergrund und sie werden unsere gemeinsame Stadt immer weiterentwickeln und verbessern.“ Ziel der Ausstellung ist, dass die Besucher aus erster Hand erfahren, wie alles angefangen hat und wie sich die ehemaligen Gastarbeiter heute in der Kreisstadt fühlen.

Lob spendet Erster Stadtrat Dieter Lang: „Es ist ein großer Erfolg, dass die Ausstellung zustande gekommen ist.“ Den Akteuren sei es gelungen, den ersten Schritt in die Aufarbeitung der Dietzenbacher Geschichte nach 1945 zu machen. Doch Lang sieht den Integrationsprozess noch nicht abgeschlossen „Das Thema beschäftigt viele Menschen und es dauert länger, als wir erahnt haben.“ Er wünsche sich, dass die Aufarbeitung weitergeführt wird und eine Ausstellung unter dem Namen „Neue Heimat Dietzenbach 3.0“ stattfinden kann. Der Vorsitzende des ALB, Cengiz Hendek, dankt den Mitgliedern des Heimatvereins und des ALB für die Zusammenarbeit. Er weist auf die Abschlussveranstaltung am 14. Oktober hin, zu der alle Beteiligten eingeladen sind.

Moderiert wird der Abend von Olga Lucas Fernández vom Ausländerbeirat aus Rodgau. Ihre ersten Gesprächspartner sind Gisela Mauer, langjährige Geschäftsführerin des ALB, und Gudrun Rahn, Ehefrau von Günter Rahn. Sie berichten von der ersten Ausstellung, die 2001 zum Hessentag eröffnet wurde, der Kontaktaufnahme mit Gastfamilien, den Interviews bis hin zur fertigen Präsentation. „Migration war weder in den Sechzigerjahren noch ist sie heute die Mutter aller Probleme, sondern sie ist die Folge von Armut, ungerechter Verteilung, Kampf um Land und Ressourcen und Macht“, sagt Mauer.

Ein weiterer Höhepunkt des Abends ist die Diskussion mit Nicola Elmi, Paulina Petridou und Ezgi Küpelikilinc. Elmi berichtet über seine Ankunft, seine Arbeit und seinen Werdegang. Seine Frau, die aus Dietzenbach stammt, hat er auf seiner Arbeitsstelle kennengelernt „In Italien kenne ich nur noch meine Familie, sonst keinen. Da bin ich immer der Deutsche“. Aber er fühlt sich auch nicht als richtiger Deutscher. „Ich bin ein Bürger dieser Welt.“ Petridou kannte Theo Papadopolous sehr gut. Er war ihr Trauzeuge und Patenonkel ihrer Kinder. Sie fühlt sich sehr wohl in Deutschland und wenn sie in ihr Heimatland kommt, dann ist das wie Urlaub für sie.

Ezgi Küpelikilinc ist die Enkelin von Abdi Küpelikilinc. „Ich bin jeden Sommer nach Düzbag in die Türkei geflogen und habe meine Großeltern besucht.“ Dass sie in zwei Kulturen aufgewachsen ist, sieht sie als Vorteil. Sie spricht Türkisch und Deutsch und ist in der Ausbildung zur Mittelstufenlehrerin. „Man hat nie das komplette Zugehörigkeitsgefühl. In der Türkei sind wir die Deutschen, in Dietzenbach fühle ich mich akzeptiert und sehr wohl.“

Über die Bilder aus Chemnitz sagt Elmi: „Das ist abscheulich, wir müssen den Menschen Arbeit geben, damit sie sich eine Existenz aufbauen können.“ „Ich finde es sehr befremdlich“, sagt Küpelikilinc. „Hier in Dietzenbach fühle ich mich sehr wohl und sicher, aber wenn ich in Chemnitz wohnen würde, wäre es sicher anders.“

Hier es es zum vollständigen Artikel:
https://www.op-online.de/region/dietzenbach/nicht-mutter-aller-probleme-10249701.html

Siedentopf, Prof. Dr. med. Hans-Georg

  • Frauenarzt
  • Ehrenmitglied und Langjähriges Vorstandsmitglied der pro familia Hessen
  • Rechtsritter des Johanniterordens
  • Träger des Bundesverdienstkreuzes

Laudatio vom Bürgermeister beim Neujahresempfang 2013:
Der Bundesverdienstordensträger kommt aus dem Bereich Medizin.

Im Mai wurde Prof. Dr. med. Hans-Georg Siedentopf mit der Verdienstmedaille des Verdienstordens ausgezeichnet.
Diese Auszeichnung erhielt Prof. Siedentopf vor allem wegen seiner herausragenden Verdienste als langjähriger Leiter der Universitätsfrauenklinik in Frankfurt von 1977 bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand 1999 sowie für sein ehrenamtliches Engagement seit fast vier Jahrzehnten für Pro Familia Hessen.
Er hat in Frankfurt eine umfangreiche Poliklinik aufgebaut, die bundesweit Maßstäbe gesetzt hat für die ganzheitliche Betreuung entbindender Frauen.
In diesem Kontext hat er sich auch für die Familienberatungsstelle Pro Familia Hessen eingesetzt, deren Vorsitzender er
mehr als 20 Jahre war. Die Organisation hilft bei Fragen zu Sexualität und Partnerschaft, Schwangerschaft und Familienplanung.
Der Gynäkologe hat viele Neugründungen von Pro Familia begleitet und gefördert – so gehört er auch zu den Gründungsmitgliedern von Pro Familia Dietzenbach/Kreisverband Offenbach, die bereits im Herbst 2009 ihr 30-jähriges Jubiläum feiern konnte.

Durch sein Fachwissen hat er in zahlreichen Vorträgen die Arbeit der Organisation unterstützt. In seiner Amtszeit wurde zudem in Hessen als erstem Landdesverband eine Stelle zur Koordination der Sozialpädagogik eingerichtet.

In Dietzenbach ist Prof. Hans-Georg Siedentopf in der Öffentlichkeit recht selten in Erscheinung getreten – bezeichnend ist ein Zitat von ihm in der Frankfurter Rundschau anlässlich seines Ruhestandes im August 1999:
„In Dietzenbach, da bin ich eigentlich nur der Mann von der Frau Doktor.“ Die ich hiermit ganz herzlich begrüße – liebe Frau Dr. Siedentopf!


Und Ihnen, sehr verehrter Herr Professor Siedentopf nochmals
meine herzlichen Glückwünsche und meine aufrichtige Anerkennung!


Ein Nachruf aus dem DFPFG (Deutsche Gesellschaft für Psychosomatische Frauenheilkunde und Geburtshilfe):

Abschied von Hans-Georg Siedentopf
Hans-Georg Siedentopf (1936-2021) war einer der ersten Psychosomatiker in Deutschland, der das Fach Gynäkologie um die psychosoziale Sichtweise erweiterte. Einige von uns werden ihn noch von den ersten Kongressen in Mainz und Frankfurt kennen, Tagungen „… etwas entfernt von der streng gynäkologischen Tradition“, wie er es 1984 in seiner Begrüßung zur Frankfurter Tagung selbst formulierte. Nach seinem Medizinstudium in Heidelberg, München, Wien und Göttingen absolvierte er seine Facharztausbildung in Göttingen und promovierte dort – unterbrochen von einem Forschungsjahr am Max-Planck-Institut in Freiburg.

Ab 1969 prägte er als Oberarzt in der Universitätsfrauenklinik Frankfurt die Geburtshilfe, die Poliklinik, und nicht zuletzt das Studium der Frauenheilkunde, wie ich als Studentin erfahren durfte.
Wir erinnern uns an einen zugewandten, warmherzigen, sorgsamen und anteilnehmenden Menschen, der nie eine schnelle Antwort zu den Problemen fand und nie beweisen wollte, dass in der Medizin und Psychosomatik „alles geklärt“ ist.

In den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts war für Frauen mit ungewollter Schwangerschaft das Erleben der frühen Schwangerschaft angstmachend und bedrohlich. Beratung und Offenheit in dieser Frage zur Lösung des Konflikts auch durch einen Schwangerschaftsabbruch waren „tabu“. Er engagierte sich sehr früh bei der pro familia Hessen und kämpfte für die Möglichkeit einer guten Aufklärung, Beratung und der Durchführung eines ambulanten Schwangerschaftsabbruchs. Seine couragierte Tätigkeit in der Beratung und als langjähriges Vorstandsmitglied des hessischen Landesverbandes führte auch schließlich dazu, dass die Betreuung von Frauen mit Schwangerschaftskonflikt in Deutschland nunmehr menschlicher geworden ist. Für diese Tätigkeit erhielt er 2012 das Bundesverdienstkreuz.

Die Gespräche im Familienkreis mit seiner Frau Dörte und den Kindern Friederike und Jan-Peter waren immer vom „Geist“ der Familie Siedentopf bestimmt: Freundlichkeit, Offenheit, Engagement und Zugewandtheit.

Wir trauern um ein Mitglied, das sich nie in den Vordergrund drängte, der aber die gelebte Psychosomatik in Deutschland mitprägte.

Heribert Kentenich und Claudia Schumann

Der gesamte Text ist zu finden unter:
https://dgpfg.de/nachruf-prof-siedentopf/

Hancer, Necati

  • 25 Jahre lang Vorsitzender der türkisch-islamischen Gemeinde in Dietzenbach
  • 2015 Ehrenbrief des Landes Hessen
  • 2016 Preisträger für besondere Verdienste um den Gedanken der Völkerverständigung

Herr Necati Hancer kam in den siebziger Jahren aus der Türkei in die Bundesrepublik. Seitdem Necati Hancer in Deutschland lebt, setzt er sich für die Förderung des interreligiösen und interkulturellen Dialoges ein. Seit 1990 ist er zudem Vorsitzender der türkisch-islamischen Gemeinde in Dietzenbach. Die Gemeinde lädt unter anderem am Ende des Fastenmonats Ramadan zum gemeinsamen Fastenbrechen ein, beteiligt sich an der alljährlichen Frühjahrsputzaktion der Stadt sowie an zahlreichen Festen.

Seit 2010 ist die türkisch-islamischen Gemeinde darüber hinaus Mitglied in der Arbeitsgemeinschaft der Religionen in Dietzenbach, die mit ihrer Arbeit dazu beitragen will, dass Religion als eine Quelle des friedlichen Zusammenlebens verstanden wird und damit zu einer Brücke der Verständigung werden kann. Unter der Leitung Necati Hancers warnt die Gemeinde zudem seit Jahren davor, sich religiösen Fanatikern anzuschließen und versucht Eltern für dieses Thema zu sensibilisieren. Mitglieder der Gemeinde protestierten zudem friedlich gegen Auftritte des islamistischen Predigers Pierre Vogel in Dietzenbach.

Durch seine offene Haltung gegenüber anderen Glaubensgemeinschaften ist Herr Necati Hancer ein wichtiger Kooperations- und Ansprechpartner für Fragen des interreligiösen Dialogs in Dietzenbach. So ist der Moscheeverein eines der Gründungsmitglieder der Initiative „Eine Stunde für den Frieden – Interreligiöser Dialog in Stadt und Kreis Offenbach“, die sich nach den Anschlägen in den USA im September 2001 gegründet hat. Zu den vorrangigen Zielen der Initiative gehörte es, Menschen ganz unterschiedlicher Herkunft und Prägung miteinander ins Gespräch zu bringen, damit sie sich besser kennenlernen und Vorurteile keine Chance haben.

Mit seiner zuverlässigen und vertrauensvollen Art ist Herr Necati Hancer ein wichtiger Garant für das Miteinander der Kulturen in Dietzenbach. Als Vorsitzendem fällt Herrn Necati Hancer auch die Aufgabe zu, seine Gemeinde zu repräsentieren und in der Öffentlichkeit zu vertreten. Er tut dies ruhig und sachlich und steht für Offenheit, Toleranz sowie ein friedliches Zusammenleben. Necati Hancer gilt als hilfsbereit sowie als Mensch, auf dessen Wort man sich stets verlassen kann. Er ist daher würdig mit dem Ehrenbrief des Landes Hessen ausgezeichnet zu werden.