Germer, Christel

  1. Wo engagieren Sie sich überall (Verein, Kirchen, Kunst, Politik,
    Wirtschaft, …)

    Ich engagiere mich gerne in meinem Umfeld, wenn ich glaube, dass ich etwas bewegen kann. Der Start war in der Schulpolitik als Sprecher der AG Dietzenbacher Schulen (diese 17 Jahre waren ziemlich erfolgreich für Dietzenbach: kleinere Klassen, zusätzliche Lehrer, eine Vorklasse an jeder Grundschule, Schülerbibliotheken an ALS und HMS, Hausaufgabenhilfe an ALS und HMS, bilingualer Unterricht an HMS und ERS und Bauprojekte mit und ohne PPP etc.). Dann in der Kommunalpolitik, als Stadtverordnete, Magistratsmitglied und dann bis März 2021 als Vorsitzende der Stadtverordnetenversammlung . Ich war nicht unmaßgeblich an der Reaktivierung des Jugendbeirates in Dietzenbach beteiligt, arbeite noch mit beim Integrationskonzept und in den Ausschüssen. Ich bin im Vorstand der Europa Union im Kreisverband, wofür ich bis zum Ausbruch der Corona Pandemie Schüler- und Bürgerfahrten zu den europäischen Institutionen organisiert habe, sowie im Vorstand der Europa Union Hessen. Ich bin Vorsitzende der Seniorenunion Dietzenbach und auch im Vorstand von Kreis und Land dieser Organisation. Über die Seniorenhilfe habe ich mich als Nachhilfelehrerin für Kinder im JUZ – später Bildungshaus – eingebracht. Im Verein für internationale Beziehungen (ViB) kümmere ich mich um die Städtepartnerschaft mit Oconomowoc (USA). Vélizy in Frankreich liegt mir auch sehr am Herzen. Ich bin Mitglied der VHS, eine Zeit lang war ich da auch Vorstandsmitglied. Für die Bedürftigen der Stadt setze ich mich ein als Vorsitzende der Dietzenbacher Tafel, die ich 2005 aufgebaut habe und immer noch leite. Natürlich alles nur gemeinsam mit vielen engagierten und motivierten Mitstreitern.
  2. Seit wann sind Sie in Dietzenbach?
    Ich lebe mit meiner Familie seit 1972 in Dietzenbach, d.h. nunmehr seit 50 Jahren.
  3. Wo kommt Ihre Familie ursprünglich her?
    Nicht meine Familie ist hier „eingewandert“ sondern nur ich, weil ich hier einen guten Arbeitsplatz gefunden habe. Ich bin Österreicherin, in Wien geboren und aufgewachsen. Mein Mann kommt aus Oberhessen. Wir leben – wie gesagt – seit 50 Jahren in Dietzenbach, ich habe aber noch „einen Koffer in Wien“ , wohin wir auch ganz oft fahren.
  4. Warum sind Sie nach Dietzenbach gekommen?
    Mein Mann und ich sind von Frankfurt nach Dietzenbach gezogen, weil die Mieten in Frankfurt zu teuer waren, mein Mann hat zu dieser Zeit wieder studiert.
  5. Warum sind Sie in Dietzenbach geblieben?
    Geblieben sind wir in Dietzenbach, weil wir im Grünen wohnen, mit aller Infrastruktur, die man für eine junge Familie braucht, trotzdem aber die Nähe zu Frankfurt, Hanau, Darmstadt und Offenbach hat. Dies war uns wichtig, weil wir nicht nur die Einkaufsmöglichkeiten, sondern vor allen Dingen die kulturellen Angebote der Städte genutzt haben und auch immer noch nutzen. Seit wir die S-Bahn haben ist vieles noch einfacher.
  6. Was gefällt Ihnen an Dietzenbach am meisten?
    Mir gefällt, dass man in Dietzenbach alles weitgehend zu Fuß erreichen kann. Wir haben hier unsere Kinder großgezogen, haben über die Jahre viele Menschen hier kennen und schätzen gelernt, ich habe mich in der Gemeinde immer wieder eingebracht, viel Anerkennung meiner Arbeit erfahren, das macht mich zufrieden.
  7. Was sollte in Dietzenbach geändert werden?
    Die beiden sozialen Brennpunkte sollten entzerrt werden. Es sollte nicht möglich sein, mit der Not der hierherkommenden Menschen noch Geld zu verdienen, indem man möglichst viele Menschen auf engem Raum unterbringt. Hier gibt es leider fragwürdige Strukturen, die mit unseren Gesetzen nicht beherrschbar sind. Viele Dietzenbacher, äußerst hilfsbereite Menschen, fühlen sich wie ein Hamster im Rad. Kaum hat man ein Problem ein bisschen verbessert, kommt das nächste nach. Dietzenbach sollte nicht länger eine Art „Ankunftsstadt“ sein. Menschen die hier Arbeit und Wohnung gefunden haben, sollten auch hier bleiben.
  8. Was fehlt Ihnen in Dietzenbach?
    Eigentlich fehlt mir nicht viel in Dietzenbach. Ein gemütliches Kaffeehaus wäre nicht schlecht. Außerdem sollte, auch von der Kommunalpolitik her immer für eine ausreichende Versorgung mit niedergelassenen Ärzten gesorgt werden. Kinderarzt, Augenarzt etc. Hier sollte die Gemeinde unbedingt rechtzeitig Anreize bieten.
  9. Wo gehen Sie in Dietzenbach gerne essen?
    Wir gehen nicht sehr viel essen, mein Mann meint ich koche gut! Aber ich mag die Dietzenbacher Gastronomie, man kann immer etwas finden.
  10. Gibt es sonst etwas Besonderes über Sie was Sie erzählen wollen?
    Es gibt aus meiner Sicht nicht so viel, was ich über mich erzählen könnte, was von allgemeinem Interesse wäre. Ich liebe Reisen und Musik, eher die klassische Variante, aber auch Jazz, Freunde treffen, Wandern und Lesen, wofür nicht immer ausreichend Zeit bleibt. Das Wichtigste für mich sind mein Mann, meine Kinder und Enkelkinder. Aus meiner Erfahrung mit jungen Menschen im Bildungshaus bin ich doch immer wieder bestätigt worden, dass auch der Einsatz für Einzelne lohnenswert ist. Und wenn mir heute ein junger Mensch sagt, schau her was aus mir geworden ist, weil Du mir geholfen hast, macht mich dies sehr glücklich. Ich bin fest davon überzeugt, dass Bildung vor Armut schützt. Wobei nicht jeder Mensch Universitätsprofessor werden muss! Ein guter Handwerker, der sein Gebiet beherrscht, ist genauso wichtig.
  11. Von welcher Person hätten Sie gerne einen Steckbrief und warum?
    Es gibt bestimmt viele Menschen in unserer Stadt, die sich engagieren und durch Ihren Beruf, besondere Fähigkeiten oder uneigennützigen Einsatz die Lebensqualität in unserer Stadt positiv beeinflussen.
    Im Moment fällt mir keine Persönlichkeit ein, die mich neugierig machen würde.

Aus der Offenbach Post vom 29.04.2016:

Stadtverordnetenvorsteherin Christel Germer:

Herausforderungen als Lebenselixier

Dietzenbach – Schon seit Jahrzehnten wirkt Christel Germer in verschiedenen Rollen am Geschehen in der Kreisstadt mit. Schulelternbeirätin, Tafel-Vorsitzende, Stadtverordnete und Magistratsmitglied. Seit einer Woche ist sie Stadt- verordnetenvorsteherin. Von Norman Körtge

Ihr neues Amt hat Christel Germer gleich gefordert. Wenn auch noch in erträglicher Weise. Nachdem die CDU-Politikerin am vergangenen Freitag in der konstituierenden Stadtverordnetenversammlung einstimmig zur Stadtverordnetenvorsteherin gewählt worden war, mussten Anfang dieser Woche bereits die vorliegenden Anträge von Magistrat und Fraktionen gesichtet und den jeweiligen Fachausschüssen zugeteilt werden, die übernächste Woche tagen und die Germer jeweils bis zur Wahl eines Vorsitzenden leiten wird. „Es ist überschaubar“, sagt sie.

Neue Herausforderungen zu meistern gehören für die 1943 in Wien geborene Germer zum Lebenselixier. Einige prägende Kindheits- und Jugenderlebnisse haben ihr späteres Handeln mitbestimmt. Sie ist im zerbombten Wien aufgewachsen, hat Armenküchen mitbekommen. Das eine erklärt, warum sie Jahrzehnte später anfing, sich in der Europa-Union zu engagieren und für den europäischen Gedanken zu werben: „Die Europäische Union hat uns schon mehr als 70 Jahre Frieden gegeben“, sagt sie. Und die EU habe es möglich gemacht, dass sie politische Ämter in Deutschland übernehmen darf, denn die 72-Jährige hat nach wie vor nur die österreichische Staatsbürgerschaft. Die persönlichen Erinnerungen an Armut und Hunger nach Kriegsende waren mit ein Grund, warum sie von Anfang an an der Idee einer Dietzenbacher Tafel mitwirkte. Sie gehörte 2005 zu den Gründungsmitgliedern und ist bis heute deren Vorsitzende. „Das ist ein kleines mittelständisches Unternehmen mit 70 Mitarbeitern.“ Sie erzählt von Logistik, Lagerhaltung und Lebensmittelausgabe. 35 Kunden waren es zu Beginn, neulich 209, die freitags anstanden.

Nachdem Germer 1961 die Matura an der Handelsakademie der Wiener Kaufmannschaft abgelegt hatte, arbeitete sie zunächst als Exportsachbearbeiterin in der Stahlindustrie. Nach einer Reise 1964 nach Frankfurt, wo sie als Taufpatin für ihren Cousin geladen war, wurde sie heimisch im Rhein-Main-Gebiet. Sie nahm zunächst eine Stelle als Abteilungssekretärin beim Frankfurter Battelle-Institut an. Dort lernte sie auch ihren späteren Mann Hans kennen, den sie 1967 heiratete. 1966 wechselte Germer zur Firma Mergenthaler Linotype und stieg dort zur Direktionssekretärin auf.

1972 zog es die Germers nach Dietzenbach. Zunächst kaufte das Ehepaar eine Eigentumswohnung im Starkenburgring, dem heutigen Spessartviertel, bevor es 1979 ein Einfamilienhaus am Steinberger Waldrand bezog. 1982 kam die erste Tochter zur Welt, 1985 die zweite. Schnell wuchs bei Christel Germer das Interesse an der Mitarbeit im Elternbeirat. Sowohl in der Astrid-Lindgren-Schule als auch an der weiterführenden Heinrich-Mann-Schule war sie Elternbeiratsvorsitzende. Über ein paar Monate hinweg sogar zeitgleich. „Im Team haben wir viel bewegt“, erinnert sie sich an die Zeit und ist voll des Lobes: „Dietzenbacher sind was Besonderes. Wenn die Leute etwas wirklich wollen, dann engagieren sie sich auch. Das habe ich immer bewundert.“

Über schulpolitische Diskussionen kam Germer schließlich 2005 zur Dietzenbacher CDU. Ein Jahr später wurde sie in die Stadtverordnetenversammlung gewählt, 2011 ebenso und anschließend in den Magistrat, dem sie nun fünf Jahre angehört hat. „Ich habe viel gelernt“, sagt sie über die Zeit. Bedauert habe sie, dass sie nach dem Ausscheiden von Dietmar Kolmer als Erster Stadtrat die einzige CDU-Stimme in dem Gremium gewesen ist. „Aber so ist das halt in der Opposition“, sagt sie und gibt sich ganz als Demokratin. Sie wäre auch gerne weiterhin im Magistrat geblieben, aber die Partei wollte sie lieber als Stadtverordnetenvorsteherin sehen. Dort möchte sie eine vernünftige Streitkultur etablieren. Davon, die AfD zu ignorieren, hält sie nichts. Man müsse sich mit ihr auseinandersetzen.

Hier geht es zum gesamten Artikel:
https://www.op-online.de/region/dietzenbach/neue-stadtverordnetenvorsteherin-christel-germer-schon-einiges-dietzenbach-gemeistert-6355950.html


Aus der Offenbach Post vom 08.09.2017:

Miteinander, nicht gegeneinander

Stadtverordnetenvorsteherin Christel Germer spricht über ihr Amt

Dietzenbach – Christel Germer (CDU) ist seit vergangenen April Stadtverordnetenvorsteherin der Kreisstadt. Von Ronny Paul

Die gebürtige Wienerin wirkt bereits seit Jahrzehnten in verschiedenen Rollen in Diezenbach, etwa als Schulelternbeirätin, Vorsitzende der Dietzenbacher Tafel und als Stadtverordnete. Der CDU trat sie 2005 bei und saß vergangene Legislaturperiode für die Christdemokraten im Magistrat. Im Interview spricht sie darüber, wie sie sich in ihrem Amt zurechtfindet und welche politischen Beobachtungen sie seit ihrem Antritt gemacht hat.

Frau Germer, Sie sind nun mehr als ein Jahr Stadtverordnetenvorsteherin. Haben Sie den Schritt jemals bereut?

Bisher kann ich mich auf eine gute Arbeit mit den Kollegen stützen, auch auf eine gute Zusammenarbeit mit dem Gremienmanagement der Stadtverwaltung. Bisher gab es keinen großen Ärger, von daher kann ich nicht sagen, dass ich es bereut hätte.

Es macht Ihnen Spaß…

Ja, es ist eine interessante und verantwortungsvolle Aufgabe.Was sind die Schwierigkeiten, mit denen Sie sich herumschlagen müssen?Schwierig ist die Auslegung der Hessischen Gemeindeordnung (HGO), wenn die Kollegen da unterschiedlicher Meinung sind und wie man sie dann auch richtig anwendet. Jeder möchte gerne nach der HGO und nach der Geschäftsordnung handeln, aber nicht jeder ist da so ganz firm. Das sind – in Anführungsstrichen – die einzigen Schwierigkeiten.

Worin liegen die Unterschiede zur Arbeit im Magistrat?

Der Magistrat ist ein vorbereitendes Organ. Die meisten Vorlagen, die zur Entscheidung im Stadtparlament anstehen, kommen aus dem Magistrat. Der Magistrat ist ein Filter für all diese Dinge. Wenn der Magistrat einer Vorlage nicht zustimmt, kommt sie erst gar nicht in die Stadtverordnetenversammlung (SVV). Magistratsarbeit ist weniger in der Öffentlichkeit, aber ansonsten eine wichtige Aufgabe.

Und die SVV?

Was mir beim Parlament immer noch ein bisschen fehlt, ist die Aufmerksamkeit der Bevölkerung. Die Bevölkerung kennt einen Bürgermeister, einen Ersten Stadtrat, aber das Parlament, das immer öffentlich tagt, hat meiner Ansicht nach zu wenig Besucher. Auch die Ausschussarbeit ist interessant. Mit der Einladung zur akademischen Feier „40 Jahre Seniorenbeirat“ erhielt ich eine entsprechende Broschüre, die ich aufmerksam studiert habe. Und da ist das Stadtparlament nur ganz beiläufig erwähnt. Obwohl der Seniorenbeirat ein Hilfsorgan der SVV ist. Der einzige, der das Parlament in seinem Grußwort würdigt, ist der Landesvorsitzende des Seniorenbeirats. Und das zeigt mir ein bisschen, dass das Parlament bei der Bevölkerung irgendwie nicht so gewichtet wird. Der Bürgermeister kann alleine gar nicht so wahnsinnig viel entscheiden, das Parlament hebt die Hände für Millionen von Geldern, die der Steuerzahler dann zu tragen hat. Die Bedeutung der SVV kommt mir da zu kurz.

Apropos Hilfsorgane: Wie ist der Jugendbeirat bislang angekommen?

Der Jugendbeirat ist schon angekommen. Aber die jungen Menschen sind in ihrer Berufsausbildung, sie entwickeln sich weiter, sie ziehen weg, sie gehen zum Studium. Da ist Kontinuität schwierig. Grundsätzlich haben wir ein Interesse daran, dass es den Jugendbeirat gibt, damit auch Vorstellungen und Wünsche der Jugend ins Parlament einfliessen. Aber wir haben in letzter Zeit gemerkt, dass es nicht ganz so funktioniert. Auch der Jugendbeirat selbst hat sich in der SVV geäußert, dass sie sich nicht genügend unterstützt fühlen. Die Unterstützung ist aber da, sie müssen sie auch wahrnehmen.

Haben Sie sich bei Ihrer Vorgängerin Kornelia Butterweck informiert, bevor Sie das Amt übernommen haben?

Wir haben ein gutes Verhältnis. Ich hätte mich überhaupt nicht zur Verfügung gestellt, hätte sie das weitermachen wollen. Ich habe mich auch bei ihr informiert, wie sie Sitzungen geleitet hat und mich auch intensiv mit dem Gremienmanagement befasst. Jede Sitzung bereite ich mit der Abteilung von Gudrun Gehrmann vor und bespreche alles. Das gibt mir eine gewisse Sicherheit. Es kommen in der SVV trotzdem häufig noch viele Dinge hoch, die plötzlich geregelt werden müssen.

Das vollständige Interview lesen Sie in der aktuellen Printausgabe der Offenbach-Post vom 8. September.

Hier geht es zum vollständigen Artikel:
https://www.op-online.de/region/dietzenbach/stadtverordnetenvorsteherin-christel-germer-spricht-ueber-dietzenbach-8663727.html


Aus der Offenbach Post vom 26.09.2020:

„Helfer verdienen Respekt“

Interview mit der Dietzenbacher Tafel-Vorsitzenden

Hinter der Dietzenbacher Tafel liegen schwierige Monate. Wochenlang konnte der Verein wegen des Coronavirus keine Lebensmittel an Bedürftige ausgeben, vieles musste vor dem Neustart am 16. Juni anders konzipiert werden.

Dietzenbach – Trotz aller Widrigkeiten gibt es in diesem Jahr auch etwas zu feiern: das 15-jährige Bestehen der Dietzenbacher Tafel. Im Interview spricht Christel Germer, die Vorsitzende des Vereins, über dessen Anfänge und Zukunft.

Von Anfang an sind Sie die Vorsitzende der Dietzenbacher Tafel, haben die Gründung maßgeblich mitgestaltet und die ersten Schritte miterlebt. Welche Herausforderungen hatten Sie und Ihre Mitstreiter anfangs zu meistern?

Wir haben uns an der Langener Tafel orientiert, die damalige Leiterin hat uns ihr Konzept vorgestellt. Dann haben wir den Sprecher der hessischen Tafeln eingeladen, der uns behilflich war, eine entsprechende Vereinssatzung zu erstellen. Wichtig war uns schon damals, unter den Dachverband der Bundestafel zu schlüpfen und damit den Namen „Tafel“ verwenden zu dürfen. Zunächst mussten wir uns überlegen, wie und an wen wollen wir verteilen. Dann mussten wir uns auf den Weg machen und schauen, wo wir die Lebensmittel herbekommen.

Zahl der Kunden nahm ständig zu

Wie reagierten Bedürftige auf das damals neue Angebot in der Stadt?

Die Zahl der „Kunden“ nahm ständig zu. Hatten wir am Anfang 35 Personen, waren es nach einigen Monaten schon über 100. Dahinter standen immer Familien, die sehr oft viele Kinder hatten. Wir waren auch ein Treffpunkt für diese Menschen, denen wir Kaffee oder Tee und von diversen Bäckern gespendete Kuchenstückchen anboten.

Würden Sie sagen, dass sich die Arbeit von Ihnen und den anderen Helfern heute, 15 Jahre später, anders gestaltet als damals?

Mittlerweile kommen wöchentlich 150 Menschen zur Ausgabe, insgesamt versorgen wir sicher mindestens 800 Dietzenbacher. Und es hat sich alles weiterentwickelt. Unser Aktionsradius musste größer werden, um Lebensmittel zu bekommen, was mehr Personal und höhere Transportkosten bedeutet.

Die Arbeit der Tafel funktioniert nur dank ehrenamtlicher Helfer und viele Vereine haben Probleme, Menschen für ein Ehrenamt zu gewinnen. Wie sieht es bei Ihnen aus?

Der Verein hat circa 200 Mitglieder, davon 60 bis 70 Aktive. Nun sind meine Mitstreiter fast alle mit mir alt geworden. Es gibt ganz viele, die von Anfang an dabei sind, und das weiß ich sehr zu schätzen. Natürlich haben wir einige durch Alter, Krankheit oder Tod verloren, die Menschen fangen bei uns ja erst im Rentenalter an. Aber wir haben auch immer wieder rüstige Rentner dazubekommen. Wohlgemerkt alles Menschen, die ohne jede Aufwandsentschädigung ehrenamtlich tätig sind. Sie verdienen alle großen Respekt.

Christel Germer: „Bisher findet alles im Freien statt, daher fürchten wir den Winter.“

Seit Monaten befindet sich die Tafel in einer so noch nie da gewesenen Situation. Wie wirkt sich die Pandemie auf Ihre Arbeit aus?

Nach einer dreimonatigen Schließung haben wir ein Konzept erarbeitet, wodurch wieder eine Ausgabe im begrenzten Umfang möglich war. Seit dem 16. Juni sind wir nun an der frischen Luft, auf dem Kirchplatz der Gemeinde St. Martin, tätig. Eine Bewirtung der Kunden ist nicht mehr möglich. Die Helfer haben kaum Kundenkontakt, wir packen große Papiertüten und geben diese aus. Die Helfer sind in ihrer Zahl begrenzt und müssen die Abstände einhalten. Die Kunden werden nach bestimmten Uhrzeiten bestellt, haben Maskenpflicht und müssen ebenfalls Abstand halten. Bisher findet alles im Freien statt, daher fürchten wir den Winter.

Wie sehen Sie in Zukunft die Rolle der Tafeln, in Dietzenbach und deutschlandweit?

Als wir angefangen haben, gab es deutschlandweit 250 Tafeln, jetzt sind es fast 1000 – nicht mitgerechnet die vielen Einrichtungen, die sehr ähnliche Arbeit machen, aber nicht bei der Bundestafel organisiert sind. In Hessen hat sich daher ein Tafelverband gegründet, dem 55 Tafeln angehören. Grundsätzlich sind die Tafeln ja angetreten, um zu verhindern, dass Lebensmittel vernichtet werden. Verteilen an Bedürftige war dann die Konsequenz. Ich sehe es als schwierig an zu sagen, wie viele Menschen auf die Tafeln angewiesen sein werden. Bei hoher Arbeitslosigkeit natürlich mehr, bei Flüchtlingsströmen auch. Ich persönlich meine aber, dass es hier nicht zu einer staatlichen Regelung kommen sollte, auch wenn die Ehrenamtlichen oft an ihre Grenzen stoßen. Wir machen das freiwillig, ehrenamtlich und niemand hat einen Rechtsanspruch darauf, bei der Tafel bedient zu werden. Bei staatlichen Einrichtungen ist das anders. Man könnte meiner Ansicht nach weniger produzieren und wenn nötig die Sozialsätze erhöhen. Es würde vielleicht weniger weggeworfen und die Menschen könnten kaufen, was sie benötigen. Aber ich glaube, so einfach ist das nicht. Es wird immer Menschen geben, die mit ihrem Einkommen auskommen, andere nicht. Und die Produktion so auszurichten, dass nichts übrig bleibt, geht sicher auch nicht.

Was wünschen Sie sich für die Dietzenbacher Tafel, aber auch für die Menschen, die diese Unterstützung in Anspruch nehmen?

Für die Dietzenbacher Tafel wünsche ich mir ein kompetentes Nachfolgeteam, denn – wie bereits erwähnt – wir sind alle in die Jahre gekommen. Und immer ausreichend Ware, um die Menschen, die zu uns kommen, auch weiterhin zu unterstützen. Denn eines ist sicher: Durch unsere Hilfe bleibt den Menschen etwas Geld, um sich andere Teilhabe in der Gesellschaft leisten zu können.

Das Gespräch führte Lena Jochum.

Hier geht es zum vollständigen Artikel:
https://www.op-online.de/region/dietzenbach/helfer-verdienen-respekt-90053675.html


Aus der Offenbach Post vom 08.05.2021:

Christel Germer über ihre Amtszeit als Stadtverordnetenvorsteherin

„Da ist schon mal einer eingenickt“

Fünf Jahre lang war sie Stadtverordnetenvorsteherin. Seit Jahrzehnten beeinflusst sie in unterschiedlichen Positionen das Stadtgeschehen in Dietzenbach: Christel Germer.

Dietzenbach – Im Interview blickt sie zurück auf eine ereignisreiche Zeit in der Dietzenbacher Politik unter Pandemie-Bedingungen und gibt einen Einblick in das Amt der ersten Bürgerin der Stadt.

Frau Germer, welchen Einfluss hatte die Pandemie auf ihre Arbeit als Stadtverordnetenvorsteherin?

Corona hat einiges durcheinandergebracht. Vergangenes Jahr mussten wir eine Stadtverordnetenversammlung zu Beginn der Pandemie ausfallen lassen. Das war natürlich nicht schön. Es mussten passende Räumlichkeiten gefunden werden, da das Capitol noch umgebaut wurde. Vom Land Hessen wurden dann schnell Gesetze auf den Weg gebracht, sodass wir zumindest in der Lage waren, einen Haushalt für ein Jahr im Haupt- und Finanzausschuss auf den Weg zu bringen.

Was hat Ihnen die Verantwortung im Amt bedeutet?

Ich finde, dieses Amt ist eine ehrenvolle Aufgabe. Ich habe mich immer besonders gefreut, wenn ich zu Vereinsterminen und Vereinsfeiern eingeladen war und vielleicht auch noch um ein Grußwort oder eine kurze Rede gebeten wurde. Ich habe dabei die Vereinslandschaft gut kennengelernt. Bei den Ehrungen der Vereinsmitglieder hat man auch viel über die Arbeit und das Miteinander in den Vereinen erfahren. Besonders am Herzen lagen mir als glühender Europäerin die diversen Städtepartnerschaften. Genauso war es mit öffentlichen Auftritten und Repräsentationsaufgaben, wie Abiturfeiern, Schuljubiläen, Musikfesten, Einladungen der IHK, des Kreises Offenbach, dem Volkstrauertag und nicht zuletzt dem jährlichen Neujahrsempfang, der ja in diesem Jahr wegen der Pandemie ausgefallen ist. Schade, es wäre mein letzter gewesen.

Welches Wochenarbeitspensum hatten Sie?

Ich habe keine Schätzung, arbeitete immer nach Arbeitsanfall. Ich habe versucht, alle Dinge möglichst sofort zu erledigen, damit sich nichts ansammelt. Die Teilnahme an den Ausschusssitzungen war mir immer wichtig, um die Argumentation der Fraktionen zu den Anträgen zu erfahren. Es gibt ja nur Ergebnisprotokolle, deshalb kann man eben nicht alles nachlesen.

Nach welchen Kriterien haben Sie die Tagesordnung zusammengestellt?

Die Zusammenstellung der Tagesordnung unterliegt den Regeln der Hessischen Gemeindeordnung. Viel Spielraum hat ein Stadtverordnetenvorsteher da nicht, es sei denn, er verletzt seine durch das Amt vorgegebene Neutralität. Die Tagesordnung wird auch immer im Einvernehmen mit dem Magistrat erstellt. Auch hier unterstützt das Gremienmanagement. Mit dem amtierenden Bürgermeister konnte ich mich auch immer sehr gut abstimmen.

Was konnten Sie von Ihrem Platz aus während der Stadtverordnetenversammlung so alles beobachten?

Solange wir noch im Rathaussitzungssaal getagt haben, war alles überschaubarer. Die Mitglieder waren näher dran und sehr aufmerksam. Im Capitol ist schon mal einer eingenickt.

Welches Ereignis ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?

Meine persönliche Einladung zur Verabschiedung von Bundespräsident Joachim Gauck in Berlin und meine Ehrung mit dem Landesehrenbrief des Landes Hessen.

Welchen Tipp geben Sie ihrer Nachfolgerin?

Ich gebe keinen Tipp. Meine Nachfolgerin hat genug parlamentarische Erfahrung, um dieses Amt auf ihre Weise auszufüllen.

Bleiben Sie nach dem Ausscheiden als Stadtverordnetenvorsteherin der Kreisstadt mit weiterem Engagement erhalten?

Es hat mir Freude gemacht mich für die Stadt, in der ich seit 1972 lebe, mit viel persönlichem Engagement einzubringen. Ich bin immer noch im Landesvorstand der Senioren-Union, im Landesvorstand der Europa-Union und leite die Dietzenbacher Tafel seit 16 Jahren. Das werde ich langsam eher reduzieren.

Das Gespräch führte Lukas Reus

Hier geht es zum vollständigen Artikel:
https://www.op-online.de/region/dietzenbach/da-ist-schon-mal-einer-eingenickt-90526997.html

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