Wagner, Karl Heinz

Kurz-Vita

1925 geboren in Komotau / Sudetenland
                      Lehr- und Gesellenjahre bei den Kirchenmalern Brüder Hennlich
 nach der Vertreibung 1946 kam er nach Schwanebeck bei Halberstadt und über Offenbach/Main nach Dietzenbach
1947studierte er ein Semester bei dem Tiermaler Heinz Rammelt
1958/1959drei Semester an der Städelschule. Frankfurt/Main bei Walter Hergenhahn
1970-1984Dozent an der VHS in Dietzenbach
1978Kulturpreis des Kreises Offenbach/Main
1982-1988Erster Vorsitzender im Bund für freie und angewandte Kunst in Darmstadt
1985Kulturpreis der Stadt Dietzenbach und die Adalbert Stifter-Medaille der Sudetendeutschen Landsmannschaft und Komotauer Ehrenbrief mit Ehrenzeichen
1986der Accademia d’Italia ‘Premio d’Italia’
1988Förderpreis der Heussenstamm-Stiftung, Frankfurt/Main
1994Europa Kunstplakette in Gold des Europäischen Kulturpreises Baden-Baden
2000Ehrenmitglied des Berufsverbandes Bildender Künstler (BBK), Frankfurt/Main
2003erhielt Karl Heinz Wagner die höchste Auszeichnung des Landes Hessen, den Landesbrief
2019Gestorben am 31.12.2019

Interview mit Karl Heinz Wagner

1. Hat sich Ihr Werdegang als Künstler schon in Ihrer Kindheit abgezeichnet? Wie kamen Sie zur Kunst?
Schon als kleines Kind habe ich angefangen zu malen und schon mit 14 Jahren habe ich meine ersten Bilder verkauft! Es gab unter anderem zwei Onkels in der Familie die auch Maler waren und die mich inspiriert haben.

2. Was möchten Sie in Ihrer Kunst vermitteln?
Hauptsächlich ging es mir um natürliche Aussagen, aber auch um Abstraktionen. Für mich sind eigentlich alle Kunstrichtungen interessant und mich haben immer alle Arten von Kunsttechniken interessiert. Meine Vielseitigkeit auf diesen Gebieten kann man sehr gut auf meiner Website www.galerie-wagner.de erkennen.

3. Wie definieren Sie selbst Kunst?
Alles in einer natürlichen oder auch abstrakten Form in eigener Darstellung umsetzen.

4. Gab es richtungsweisende Ereignisse im Laufe Ihrer künstlerischen Laufbahn an die Sie heute noch oft zurückdenken?
Meine Lehre bei den Kirchenmalern Brüder Hennlich, VHS bei dem Berliner Tiermaler Heinz Rammelt und im Frankfurter Städel bei Walter Hergenhahn.

5. Woraus ziehen Sie Anregungen für neue Werke und Ideen?
Aus Sicht der Natur und Fantasie. Und die Portraitmalerei war schon von Kindheit an, meine Lieblingsbeschäftigung.


Artikel aus der Frankfurter Rundschau vom 12.10.2016:

Die Galerie im Kuhstall

Die FR ist zu Besuch bei dem 91-jährigen Künstler Karl Heinz Wagner. Er macht aus einem Kuhstall in Dietzenbach eine Galerie.

Es ist ein langes Leben. Und es ist voller Bilder. In Karl Heinz Wagners Galerie in der Schäfergasse stehen sie auf dem Boden und auf Simsen, hängen an den Wänden: Ölgemälde, Aquarelle, Zeichnungen, Radierungen, Lithografien, Collagen, Holzschnitte und, und, und. Der 91-jährige Künstler hat viel und gern experimentiert: „Ich habe alles gemacht“, sagt er. Neben den vielen Stadtansichten, die in der Galerie im einstigen Stall seines fast 300 Jahre alten Hauses zu sehen sind, gibt es auch abstrakte und surreal anmutende Bilder, Stillleben, Porträts. Expressionistische Holzschnitte aus den Nachkriegsjahren. Und das aller letzte Bild, das der Dietzenbacher vor einem Jahr gemalt hat: eine wilde Gewitterstimmung über der Stadt.

Nach einem Unfall, bei dem er sich die Hüfte gebrochen hat, und dem langen Reha-Prozess kann Wagner seine Kunst, die ihn seit der frühen Jugend im heutigen Tschechien begleitet hat, nicht mehr ausüben. Auf einem alten Foto, das der Künstler zeigt, ist er als 14-Jähriger an einer Staffelei zu sehen. Und weil er so gern zeichnete und malte, ging er bei einem Zimmermaler in seiner Heimat Komotau in Böhmen in die handwerkliche Lehre. Sein Handwerk hielt Wagner auch über Wasser, als er nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs ebenso wie seine Mutter und Geschwister ausgewiesen wurde.

Im sachsen-anhaltinischen Schwanebeck, wo die Familie hingebracht wurde, verdiente sich der junge Künstler dann auf kuriose Weise etwas hinzu: „Für einen Kunstmaler malte ich Bilder, die der dann unter seinem Namen verkaufte“, erinnert sich Wagner. „Mir war das egal, ich malte, was er sagte, und bekam pro Bild 100 Mark.“ Als er sich irgendwann selbst Pinsel und Farben leisten konnte, verkaufte er die ersten Bilder auf eigene Rechnung.

Städel-Abendschule besucht
In dem Harzstädtchen lernte Wagner auch seine spätere Frau Lilo kennen. 1947 heirateten die beiden. Sie blieben zusammen, bis Lilo Wagner vor neun Jahren starb. Ende der 1940er Jahre besuchte der Autodidakt einen ersten Zeichenkurs an einer Volkshochschule und fand Kontakt zu anderen Künstlern. 1950, der junge Maler war inzwischen Vater einer Tochter, fasste er den Entschluss, die DDR zu verlassen.

Beinahe von der Volkspolizei erwischt, gelang es ihm, nachts während eines Gewitters unbemerkt einen Grenzfluss zu überqueren. Mit Fahrrad und per Anhalter schlug er sich zu Verwandten durch, die in der Nähe von Marburg wohnten. Dort blieb die Familie – Wagner holte Frau und Kind nach – einige Jahre, bis ein Bekannter ihm ein Zimmer in Offenbach anbot, wo es bessere Arbeitsmöglichkeiten gab.

Wagner arbeitete dort wieder als Maler, besuchte aber auch die Städel-Abendschule in Frankfurt. Bei dem Beckmann-Schüler Walter Hergenhahn lernte er Aktzeichnen, Porträts und Stillleben. Später kamen Kurse für Lithografie und Radierung hinzu. Erste Ausstellungen folgten Anfang der 1960er Jahre. „Seither habe ich immer ausgestellt, im In- und Ausland“, sagt der Künstler.

Beruflich hatte sich Wagner verändert: Als Reklamemaler – „da lernte ich auch den Siebdruck kennen“ – und Offset-Drucker arbeitete er jetzt. In den zehn Jahren in Offenbach wurde er regional bekannt, „ich stand oft in der Zeitung, mein Chef war schon neidisch“. Im Flur der kleinen Wohnung – mittlerweile war auch sein zweites Kind, ein Sohn, geboren – stapelten sich indes die Bilder. Eine Lösung musste her.

Fachwerkhaus restauriert
Die fand Wagner in Dietzenbach: Das Fachwerkhaus in der Schäfergasse kaufte er 1964. „Es war in einem schlechten Zustand, ich musste es erst restaurieren“, erzählt er. 1965 wurde der einstige Kuhstall umgebaut und der Maler begann, dort Werke regionaler, aber auch internationaler Künstler auszustellen. In den Folgejahren war er in Vereinen aktiv, malte für Vereinsfeste, arbeitete im Geschichts- und Heimatverein mit, knüpfte Kontakte zu anderen Künstlern. 1983 schließlich gründete er mit drei anderen den Dietzenbacher Künstlerkreis. Das alles machte der rührige Mann nebenberuflich. „Scheinbar habe ich Tag und Nacht gearbeitet“, sagt der alte Herr fröhlich und ein bisschen erstaunt. „Ich hatte fast jeden Monat eine neue Ausstellung in meiner Galerie.“

Das umtriebige Leben forderte seinen Tribut: Nach zwei Herzinfarkten ging Wagner mit 60 Jahren in Rente. Fortan konnte er sich vollständig der Kunst widmen. Da hatte er sich aber längst einen Namen gemacht, Preise erhalten wie den Kulturpreis des Kreises Offenbach, den der Stadt Dietzenbach oder den Studienfahrtpreis der Stadt Frankfurt.

Heute kümmert er sich noch um seine umfangreiche Homepage, wo man einen Eindruck von seinen Werken gewinnen kann. Und wer neugierig ist, für den öffnet Wagner gern die Tür zu seiner Galerie im ehemaligen Kuhstall.

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https://www.fr.de/rhein-main/galerie-kuhstall-11074911.html


Aus der Offenbach Post vom 15.3.2013:

Ausstellung: Werk spiegelt seelischen Zustand

Dietzenbach –  Er hat sein Leben der Kunst gewidmet und mit seinen Werken im In- und Ausland Anerkennung gefunden. Der Maler und Bildhauer Karl Heinz Wagner zählt ohne Zweifel zu den großen Schöpfern der Stadt. Von Barbara Scholze

Bekannt sind vor allem seine Gemälde und Zeichnungen; neben Eindrücken seiner Auslandsreisen hat er manchen historischen Ort festgehalten und so der Nachwelt überliefert. Wenig gezeigt hat Wagner in den vergangenen Jahren seine grafischen Werke. Es sind vor allem frühe Darstellungen, die der 87-Jährige mithilfe von Holz- und Linolschnitten, Lithografien und anderen Drucktechniken angefertigt hat. Diesem künstlerischen Schaffen widmet das Museum für Heimatkunde und Geschichte (Darmstädter Straße 7 + 11) eine eigene Ausstellung, die bis 14. April zu sehen ist. Die Schau wird an diesem Freitag um 19 Uhr eröffnet.

Es sind zum großen Teil keine einfachen Bilder, die der Besucher bei dieser Ausstellungstour zu sehen bekommt. Nur wenige Drucke strahlen die Unbefangenheit aus, mit denen Wagner es ansonsten versteht, seine Umwelt auf Leinwand zu bannen. In die Arbeiten aus den 50er und 60er Jahren hat der Künstler Schweres gefasst. Wagner, 1925 in Komotau, Sudetenland, geboren, zählt zu den Vertriebenen und hat während des Zweiten Weltkrieges und in der Zeit danach Schreckliches erlebt.

„Meine Bilder sind Zeitzeugen“, sagt der Künstler. Dass die meisten Drucke in Schwarz-Weiß gehalten und auf alten Holzplatten entstanden sind, ist nicht nur der Materialknappheit nach dem Krieg geschuldet. Die düstere Atmosphäre unterstreicht die erschreckenden Motive. So zeigt eines der Bilder eine Szene auf dem Sportplatz seiner Heimatstadt Komotau im Jahr 1945: Menschen mit erhobenen Händen, auf dem Boden liegen Tote oder Verletzte, manche werden heftig geprügelt. „Auf Anordnung der Tschechen hatten sich dort etwa 8 000 Männer versammelt“, erinnert sich der Künstler. Gesucht wurden Angehörige der SS und sonstige Hitlerschergen. „Und wenn sie jemanden gefunden haben, haben sie ihn ausgepeitscht und danach erschossen.“ Künstlerisch umgesetzt hat Wagner auch seinen Aufenthalt im Lager Maltheuern. „Ich kämpfte gegen das Vergessen und versuchte, die Schrecken des Krieges und seine Folgen in Bildern aufzuarbeiten.“ Dazu erschienen ihm Materialien wie Linol und Holz als geeignete Werkzeuge.

Nach der Vertreibung 1946 kam Wagner nach Hessen. Zuerst lebte der gelernte Kirchenmaler in Offenbach, ab 1964 in Dietzenbach. Er studierte bei Heinz Rammelt und an der Städelschule bei Walter Hergenhahn. Auch in dieser Zeit beschäftigt sich sein Werk noch stark mit den Nachwirkungen des Krieges. Wagner stellt Druckvorlagen her, die Invaliden im Rollstuhl zeigen. Mit seinen Alltagseindrücken gibt er zugleich soziale Kritik wider. Einer der Drucke zeigt einen bettelnden Kriegsversehrten, den die gut gekleideten und offensichtlich reichen Vorübergehenden mit Verachtung strafen. „So habe ich das selbst gesehen“, sagt er.

Erst als sich die schlimmste seelische Not des jungen Künstlers ein bisschen legte, und er sich in der neuen Heimat Dietzenbach zurecht fand, war Wagner in der Lage zu freundlicheren Motiven überzugehen. Aus dieser Zeit zeigt die Ausstellung die ersten Farbdrucke, etwa einen Ansager im Zirkus oder die Heiligen drei Könige in schillernden Gewändern. Wagner begann zu reisen, hält ein Haus in Florenz und die Karlsbrücke für die Nachwelt fest.

„Die Ausstellung spiegelt ein bisschen die Entwicklung des seelischen Zustandes von Karl Heinz Wagner“, sagt Museumsleiterin Maria Polatowski-Ruprycht. Die Drucke seien alle von großer Aussagekraft und ermöglichten dem Betrachter, die ein wenig in Vergessenheit geratenen Druckverfahren neu zu entdecken. Eine der Vitrinen ist dieser Technik gewidmet, sie zeigt Werkzeuge, Walzen, Stempel und Platten.

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https://www.op-online.de/region/dietzenbach/ausstellung-karl-heinz-wagner-museum-heimatkunde-geschichte-dietzenbach-2800771.html


Aus der Offenbach Post vom 23.5.2015:

Künstler Karl Heinz Wagner wird 90
Mit Rosen hat alles angefangen

Dietzenbach –  Karl Heinz Wagner feiert morgen seinen 90. Geburtstag mit Familie, Freunden und Bekannten im Vereinsheim der SG. Von Ronny Paul

Da wird mit Sicherheit viel über Kunst gesprochen, denn die prägt bis heute Wagners Leben, obwohl der „Großvater der Dietzenbacher Künstler“ seit mehr als einem halben Jahr kein Bild mehr gemalt hat. Wagner öffnet die Tür und bittet in sein Haus an der Schäfergasse. Er setzt sich an seinen Schreibtisch. Sein PC-Bildschirm zeigt das „Bild des Monats Mai“. In langjähriger Tradition kürt der „Dietzenbacher Künstlerkreis“ jeweils ein Werk, das auch in unserer Zeitung vorgestellt wird. Diesen Monat ist es ein Aquarell des Meisters selbst: Eine tunesische Bettlerin, die Wagner 1990 in der Hafenstadt Sousse gemalt hat. Auf einer der vielen Reisen, die der Maler mit seiner vor acht Jahren verstorbenen Frau Lieselotte unternahm.

„Vor einen halben Jahr hätte ich nicht gedacht, dass ich noch die 90 erreiche“, sagt Wagner. Bei einem Sturz im vergangenen September erlitt er einen Beckenbruch, musste in der Reha neu Laufen lernen. Wenig später versagten die Nieren. „Ich habe seitdem kein Bild mehr gemalt.“ Ein herber Einschnitt für einen, für den Kunst schon immer das Lebenselixier darstellte, der mehr als 2 000 Bilder gemalt hat. „Manchmal vermisse ich das schon“, sagt Wagner: „Aber ich habe ja auch nicht so viel Zeit.“ Er lacht. Den feinen Humor hat er nicht verloren. Wagner ist einer der größten Schöpfer der Kreisstadt und dazu einziger noch lebender Mitbegründer des Künstlerkreises. Er ist so etwas wie deren graue Eminenz, deren Großvater, kann aber nicht mehr an jedem Treffen teilnehmen. Trotzdem ist er allgegenwärtig: „Ich ärgere sie noch ein bisschen und bleibe solange dabei, bis ich die Augen zumache.“ Auch dem Heimat- und Geschichtsverein ist Wagner eng verbunden, seit mehr als 50 Jahren ist er Mitglied.

Körperlich nagt der Zahn der Zeit an ihm, geistig ist Wagner aber voll auf der Höhe. Er frischt momentan seine Englischkenntnisse auf, zeigt auf ein Lehrbuch. Auch am PC ist er sehr aktiv, verweist immer wieder auf seine Homepage. „Meine Beine werden müde, wenn ich lange sitze“, sagt er, steht langsam von seinem Stuhl auf und bittet in seine Galerie. Wagner stützt sich dabei auf eine Gehhilfe. In seiner Galerie führt der Künstler vorbei an Landschaften, Stillleben, Porträts und farbenfrohen abstrakten Gemälden. Alles Zeitzeugen – für Wagner unbezahlbare Erinnerungen. Jedes Bild hat seine eigene Geschichte. Doch die Wände bieten keinen Platz mehr für seine Kunstwerke, die sich auch auf dem Boden stapeln.

Darunter viele düstere Werke. Denn als Wagner am 24. Mai 1925 in Komotau im Sudetenland auf die Welt kam, regierte Paul von Hindenburg die Weimarer Republik. Adolf Hitler veröffentlichte im selben Jahr „Mein Kampf“. „Es war mit Sicherheit keine rosige Zeit“, sagt Wagner. Viele seiner frühen Werke sind Zeitzeugen, von Tod, Gewalt, Leid und Elend – geprägt von jungen Jahren im Zweiten Weltkrieg: Ein Bild von 1945 zeigt, wie tschechische Truppen Deutsche zwingen, Deutsche zu prügeln. Als Sudetendeutsche hatten die Wagners in ihrer Heimat einen schweren Stand.

Doch die Kunst hilft Wagner, vieles davon zu verarbeiten: „Ich habe schon von klein auf alles gezeichnet, was ich gesehen hab’.“ Dass er mit 14 Jahren drei Maler im Schlafzimmer seines Onkels beim Schablonieren von Rosen auf die Wand zugeschaut hat, bezeichnet Wagner als Glücksfall. Das hat seine Leidenschaft geweckt. Er beginnt eine Lehre als Kirchenmaler. Bereits nach einem Jahr schickt ihn der Meister alleine zu Kunden: „Ich war ein Naturtalent“, sagt Wagner. Der Expressionismus seine Spielwiese.

Das Haus an der Schäfergasse, in das er und seine Frau im September 1964 einzogen, wurde ihr Ruhepol. Nachdem die Familie nach Kriegsende 1946 aus ihrer sudetischen Heimat vertrieben wurde, kamen sie über mehrere Stationen schließlich nach Dietzenbach. Wagner erinnert sich: „Trotz einer schweren Gelbsucht, die ich in den Wintermonaten hatte, konnte ich schon im Oktober 1965 im ehemaligen Kuhstall, den ich in eine Kunstgalerie umfunktionierte, die erste Gemäldeausstellung veranstalten.“ Mit Werken seines Mentors Walter Hergenhahn, bei dem er drei Semester an der Frankfurter Städelschule lernte. Seither war die Galerie Ausstellungsort namhafter Künstler. Auch Wagners Werke sind weltweit geachtet und mit verschiedensten Auszeichnungen dekoriert, unter anderem mit der höchsten Auszeichnung des Landes Hessen, dem Landesehrenbrief. Er habe keine Ziele mehr. Auch keine Angst vor dem Tod. „Jeder ist mal dran“, sagt Wagner. Viele seiner ehemaligen Weggefährten können seinen Geburtstag morgen nicht mitfeiern: „Es ist kaum noch jemand da, viele sind verstorben.“ In seiner Erinnerung jedoch leben sie weiter – und in seinen Werken.

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https://www.op-online.de/region/dietzenbach/kuenstler-karl-heinz-wagner-dietzenbach-feiert-seinen-geburtstag-5038925.html


Aus der Offenbach Post vom 15.09.2017:

Seit 78 Jahren ist die Kunst die große Leidenschaft von Karl Heinz Wagner
Immer noch Kribbeln in den Fingern

Dietzenbach – Die Leidenschaft Kunst prägt Karl Heinz Wagner bereits sein ganzes Leben lang. Mittlerweile ist er 92 Jahre alt, aber auch das bremst den Künstler und Zeichner nicht, weiterhin seiner großen Liebe nachzugehen. Von Patrick Eickhoff

„Hier geht’s lang, an meinem persönlichen Mercedes vorbei“, sagt Karl Heinz Wagner und schreitet langsamen Schrittes in seine Galerie. Doch zwischen seinen Bildern steht kein Auto, sondern ein Rollator. „Den brauche ich mittlerweile leider.“ Nach einem Sturz und anschließender Hüft-Operation vor drei Jahren musste der 92-Jährige das Laufen neu erlernen. Anzumerken ist ihm das nicht. „Ich versuche noch, so wie es geht, ohne Stock und Rollator auszukommen.“

Wer durch das Fachwerkhaus Wagners zur Galerie schreitet, kommt um die Kunst gar nicht herum. Im Wohnzimmer stapeln sich Videokassetten mit Filmen und Dokumentationen von Künstlern wie Salvador Dali und Pablo Picasso. Es stapeln sich Bücher von Ausstellungen sowie Erinnerungen. „Vieles davon schaue ich mir regelmäßig an.“

Zwischen all den Erinnerungen liegt ein dickes blaues Buch. „Karl Heinz Wagner – Erinnerungen und Begegnungen“ ist dort zu lesen. „Das hat mein Neffe erst kürzlich fertig gestellt“, sagt er stolz. Ein Blick hinein lässt vermuten, wo seine Wurzeln liegen, denn neben deutschen Texten, ist alles auf Tschechisch übersetzt.

Am 24. Mai 1925 wird Wagner im Sudetenland geboren. Nach harten Jahren wird seine Familie 1946 vertrieben und über viele Stationen, darunter auch Offenbach, landet er schließlich 1964 in Dietzenbach. Doch schon mit 14 Jahren beginnt er seine Lehre zum Kirchenmaler. „Ich hatte damals schon ein sehr großes Interesse an Kunst“, sagt er. Zwischenzeitlich ist er als Reklamemaler in verschiedenen Firmen beschäftigt. „Schilder und Plakate gehörten dazu, aber nebenbei habe ich schon immer an meinen eigenen Werken“ gemalt.

Wenn er auf seine Bilder zu sprechen bekommt, dann spricht der Rentner mit einer unglaublichen Begeisterung und dabei hat er sich nie einer einzigen Form zugeschrieben. „In der Jugendsprache würde man vermutlich sagen, ich bin so etwas wie ein Allrounder.“Und das bestätigt die Auswahl in seiner Galerie, die er 1965 eröffnet hat. Dort hängen Zeichnungen, Aquarell, Acrylbilder von Landschaften und Stillleben. Das letzte Bild hat er vor seinem Unfall gemalt. „Ich vermisse es schon, aber es geht einfach nicht mehr so, wie ich möchte.“

Der Körper macht Wagner nicht nur seit seinem Beckenbruch zu schaffen. Eine starke Gelbsucht im Alter von 40 Jahren, Nierenversagen, nachlassende Sehkraft – das alles hindert ihn nicht daran, die Liebe zur Kunst aufrecht zu erhalten. Gemeinsam mit einem alten Freund hält er seine Homepage auf aktuellem Stand. Als Mitbegründer des Dietzenbacher Künstlerkreises wird er auch dort zu Ausstellungen eingeladen. „Da muss ich dann allerdings abgeholt werden, sonst dauert das zu lange.“

In seiner Galerie haben verschiedene Künstler ausgestellt. Kollegen von der Städelschule-Abendschule, die er besucht hat, aber auch Künstler aus Kanada, Frankreich und ganz Deutschland stellten hier ihre Werke aus. „Da waren echt viele schöne Ausstellungen dabei“, erinnert er sich zurück. Bis vor dem Unfall hat er seine Galerie noch regelmäßig geöffnet. Heute macht er nur noch an Veranstaltungen wie dem Trinkbornfest oder dem Lichterfest auf. „Da laufen hier viele Leute vorbei und schauen mal rein.“ Da es mit dem Malen nicht mehr ganz funktioniert, widmet sich der 92-Jährige nun seiner neuen Leidenschaft: dem Fotografieren. „Ich gehe auch gerne mal raus und knipse ein paar Bilder im Garten“, sagt er. Wenn ein schönes dabei ist, werden diese auf seine Homepage gestellt. „Das entschädigt wenigstens etwas, wenns mal zu sehr kribbelt in den Fingern.“

Dass die Fotografie im Vergleich nicht zu den klassischen Kunstformen gehört, weiß er. „Ich habe mich immer viel mit anderen Kunstformen und Ausstellungen beschäftigt“, betont er dennoch. Trotzdem sieht er vieles differenziert. „Für mich ist es Kunst, wenn man sieht, dass auch eine gewisse Arbeit dahinter steckt und nicht einfach nur ein paar komische Gedanken.“ Viele würden heute einfach nur anfangen mit dem Gedanken, sie machen Kunst, „und das ist nicht der richtige Weg – Talent und Leidenschaft müssen erkennbar sein.“

Wie lange er seiner großen Liebe, die er bereits seit 78 Jahren verfolgt, noch nachgeht, mag er nicht abschätzen. „Ich hätte nicht gedacht, dass ich 92 Jahre alt werde – es kann schnell vorbei sein – ich genieße einfach alles, was noch kommt.“ Einen gefährlichen Sturz wie vor drei Jahren will er jedoch unbedingt vermeiden. „Dann gehe ich lieber etwas langsamer und halte mich gut fest“, betont er.

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Aus der Offenbach Post vom 9.1.2020:

Teil der Seele Dietzenbachs
Dietzenbach trauert um den Künstler Karl Heinz Wagner

Dietzenbach trauert um Karl Heinz Wagner. Der Künstler ist in der Silvesternacht im Alter von 94 Jahren verstorben.

Dietzenbach – Mit dem Ende des Jahres hat die Stadt eine ihrer prägenden Persönlichkeiten verloren. Dietzenbach (Landkreis Offenbach) trauert um Karl Heinz Wagner. Der Künstler ist in der Silvesternacht im Alter von 94 Jahren verstorben.

„Dass eine Stadt wie Dietzenbach eine Identität hat, ist nur möglich, wenn es eine Seele gibt, zu der Menschen wie Karl Heinz Wagner wesentlich beitragen. “ Das sagte Dietzenbachs ehemaliger Bürgermeister Stephan Gieseler einst anlässlich der Verleihung des hessischen Landesehrenbriefes an den in Komotau im Sudetenland geborenen Künstler, dessen Werke weit über die Grenzen der Stadt bekannt sind. Die Liste seiner Auszeichnungen ist ebenso lang wie die seiner Werke, die etwa Landschaften, Stillleben, Porträts und farbenfrohe abstrakte Gemälde umfasst.

Und sein Einfluss war groß. „Karl Heinz Wagner hat nachhaltig Spuren in der Dietzenbacher Geschichte hinterlassen, wir werden ihm stets ein ehrendes Andenken bewahren“, betont der Heimatvereinsvorsitzende Hans Scholze. Mehr als 50 Jahre engagierte sich der Maler für den Erhalt volkstümlicher Güter und Kunst. 1977 war er bei der Gründung des Arbeitskreises „Rettet das Dorf in der Stadt“ dabei, der sich für den Erhalt des alten Ortskerns einsetzte. Ebenso plante Wagner seit der Gründung des Arbeitskreises „Schule und Museum“ 1989 nicht nur museumspädagogische Projekte, sondern setzte sie ebenso tatkräftig mit um.

Auch den kreativen Nachwuchs in der Kreisstadt hat er maßgeblich beeinflusst. Ratte-Ludwig-Schöpferin Uschi Heusel nennt Wagner ihr Vorbild: „Schon als Kind habe ich ihn sehr bewundert und wollte genau wie er ein bekannter Künstler werden.“ Heusel erinnert sich besonders an Wagners „schelmisch-liebenswerten Humor, wenn er mir von seinem Leben und seiner Kunst erzählte“. Wagner war bis zu seinem Tod auch Teil des illustren Dietzenbacher Künstlerkreises, den er mitgegründet hat. Die verbliebenen sechs Mitglieder gedenken ihrem Senior, Freund und Künstlerkollegen: „Wie kaum ein anderer Kunstschaffender seiner Generation hat er die kulturelle Landschaft in der Region auf dem Gebiet der bildenden Kunst geprägt und bereichert.“

Bereits als Kind zeichnete Wagner alles, was er sah. Die Leidenschaft für die Kunst entflammte vollends, als er als 14-Jähriger drei Malern im Schlafzimmer seines Onkels beim Schablonieren von Rosen auf die Wand zuschaute. Den Moment bezeichnete Wagner im Rückblick als Glücksfall. Anschließend begann er eine Lehre als Kirchenmaler. Bereits nach einem Jahr schickte ihn der Meister alleine zu Kunden. Da zeigte sich: Wagner war ein Naturtalent, der Expressionismus seine Spielwiese. Seine markanten Ölbilder entstanden teils mit der vom ihm erfundenen Walztechnik.

Viele seiner frühen Werke sind Zeitzeugen, von Tod, Gewalt, Leid und Elend – geprägt von Jahren im Zweiten Weltkrieg: Als Sudetendeutsche hatten die Wagners in ihrer Heimat einen schweren Stand. Am 9. Juni 1945 musste Wagner am Komotauer Todesmarsch nach Gebirgsneudorf teilnehmen. Auch das anschließende Arbeitslager in Maltheuern blieb ihm nicht erspart. Einige Federzeichnungen sind die wenigen Bilddokumente, die aus dieser schrecklichen Zeit existieren. Die Kunst half Wagner, vieles davon zu verarbeiten.

Nach der Vertreibung aus der Heimat 1946 landete er zunächst in Schwanebeck bei Halberstadt in der Sowjetischen Besatzungszone, wo er seine Frau Lilo kennenlernte. Ein Jahr später heiratete das Paar. Im Dezember 1948 kam Tochter Sylvia zur Welt. 1951 flüchtete die Familie nach Halsdorf bei Marburg und zog zwei Jahre später nach Hertingshausen, wo Sohn Heinz Jürgen 1954 das Licht der Welt erblickte. 1955 zog die Familie weiter nach Offenbach.

1964 kauften die Wagners ein altes Fachwerkhaus in der Schäfergasse 16. Mehrere Monate lang fuhr Wagner nach der Arbeit von Offenbach nach Dietzenbach, um das Haus zu renovieren. Der Kuhstall des alten Bauernhauses wurde zur Galerie umgebaut, wo regelmäßig Ausstellungen auch namhafter Künstler stattfanden.

Von 1970 bis 1984 war Wagner Dozent an der Volkshochschule in Dietzenbach und von 1982 bis 1988 war er Vorsitzender im Bund für freie und angewandte Kunst in Darmstadt. Zahlreiche Ausstellungen im In- und Ausland haben ihn bekannt gemacht. Zu den unzähligen Auszeichnungen, die Wagner erhielt, gehören die Kulturpreise des Kreises Offenbach 1978 und Dietzenbachs 1985. Im selben Jahr wurde ihm die Adalbert-Stifter-Medaille der Sudetendeutschen Landsmannschaft und der Komotauer Ehrenbrief mit Ehrenzeichen verliehen.

Bei all seinen Unternehmungen stand Frau Lilo ihm hilfreich zur Seite und nahm ihm viele Alltagsprobleme ab. Sie starb 2007. Anlässlich seines 85. Geburtstages fand 2010 im Bürgerhaus eine Jubiläumsausstellung statt, wo Wagner seine Werke gemeinsam mit denen seiner Kinder Sylvia und Heinz Jürgen präsentierte. Das hohe Alter forderte allerdings in den vergangenen Jahren seinen Tribut. Ein Augenleiden ließ ihn seine Umgebung nur eingeschränkt wahrnehmen. Im Herbst erlitt er einen Schlaganfall, kam zunächst ins Krankenhaus, anschließend in die Reha. Trotzdem war Wagner bei klarem Verstand, wusste, dass es mit ihm zu Ende ging, schildert seine Tochter. Er wollte zu Hause sterben.

Wenige Tage vor Wagners Schlaganfall besuchte Erster Stadtrat Dieter Lang den Künstler in seiner Galerie. Lang zeigt sich tief betroffen: „Wagners Tod ist ein großer Verlust für die Dietzenbacher Künstlerszene.“

Das Weihnachtsfest und seine letzten Tage erlebte er im Kreis seiner Familie.

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https://www.op-online.de/region/dietzenbach/dietzenbach-trauert-kuenstler-karl-heinz-wagner-13427129.html

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