Martin Wolf war der erste SPD Bürgermeister von Dietzenbach. 1946 bis 1948 hat er die Geschicke von Dietzenbach geleitet.
Nach dem Ende des zweiten Weltkriegs wurde Martin Wolf durch die amerikanische Militärregierung eingesetzt und am 23.03.1946 regulär zum Bürgermeister gewählt.
Folgende Informationen über Martin Wolf stammen von seiner Enkelin Ellen Güttler (Interview am 16.3.2022):
Martin Wolf wurde am 10.09.1885 geboren und ist am 1.11.1964 gestorben. Mit seiner Ehefrau hatte er zwei Töchter (Lina und Elisabeth) und einen Sohn (Kurt). Die älteste Tochter heiratete später Philipp Wurm (geboren 1913). Dies sind auch die Eltern von Ellen Güttler.
Gewohnt hat die Familie Wolf in der Karl Str. 14. Das Haus wurde 1914 erbaut, in dem selben Jahr hat die Eisenbahn den Personenverkehr aufgenommen.
Martin Wolf war einer der ersten Mitglieder der SPD in Dietzenbach. Die SPD Dietzenbach wurde offiziell 1898 begründet. Vom Beruf war er Feinmechaniker und hat in Frankfurt bei Voigt & Haeffner gearbeitet. Da er eine Begeisterung für die Reparatur von Feinmechanik hatte, hat er gerne Nähmaschinen repariert und zu seinem Hobby, den Fahrrädern, gefunden.
Unvergessen ist, dass er bei einem Bombenalarm von Frankfurt nach Dietzenbach auf den Schienen nach Hause gelaufen ist.
Es war ein Familienmensch. Nachdem sein Schwiegersohn 1944 (Philipp Wurm, der Vater von Ellen) im Krieg war, hat er in einem Haushalt mit seiner Frau, seiner Tochter und seiner Enkelin gelebt. Er hat viel Zeit mit seiner Enkelin verbraucht. Er war für Sie ein Großvater, ein Ersatzvater und ein Lehrer. Gemeinsam haben Sie im Hessischen Rundfunk den „Quiz zwischen London und Frankfurt“ verfolgt und erfolgreich die Fragen beantwortet. Auch hat er seiner Enkelin Mühle spielen gelehrt. Er war ein geduldiger Mann. Gerne hat er in der Linde Skat gespielt.
Erst 1948 kam der Schwiegersohn aus der russischen Gefangenschaft zurück.
Martin Wolf war auch Naturverbunden und hatte ein großes Feld in Steinberg. Dort pflegte er seine 139 Pfirsichbäume. 1940 bei einer kalten Nacht sind die Pfirsichbäume jedoch verendet. Anschließend hat Kurt Wolf verschiedene Obstbäume (u.a. Äpfel und Zwetschgen) gepflanzt.
Aufgrund seiner politischen Tätigkeit kam Martin Wolf während des zweiten Weltkrieges in das KZ Dachau. Seiner Tochter Elisabeth ist es gelungen ihn dort wieder rauszuholen. Die Umstände wie er rauskam sind unbekannt, darüber wurde nie gesprochen. Fakt ist jedoch, dass Martin Wolf nach der Zeit im KZ sich stark verändert hat. Aus einem redegewandten und grundfröhlichem Mann, wurde ein schweigsamer und zurückgezogener Mensch. Bereits im ersten Weltkrieg hat er große Verletzungen an den Waden gehabt. Nach der Zeit im KZ war auf einen Laufstock angewiesen. Diesen Laufstock kann man auch auf den Fotos entdecken.
Über die Erlebnisse im Krieg wurde in der Familie nie gesprochen. Weder Martin Wolf noch sein Schwiegersohn Philipp Wurm sprachen über den Krieg oder die Gefangenschaft. Aber es war sichtbar, dass es eine sehr schreckliche Zeit gewesen sein muss.
Erst viele Jahre später erzählte Lina Weilmünster (Ehefrau von Richard Weilmünster), dass Martin Wolf geholfen hat Flugblätter während der Kriegszeit zu produzieren und zu kleben.
Als Martin Wolf Bürgermeister wurde, wurde auf seinem Hof in der Karlstr. 14 eine hohe Fichte gesetzt. Es war früher eine Tradition, dass bei einem Bürgermeister ein geschmückter Baum gesetzt wurde.
Während seiner Bürgermeisterzeit hat Martin Wolf die Arbeit und das Private strikt getrennt. Zu Hause wurde nicht über die Arbeit gesprochen.
Nach dem Krieg kamen Flüchtlinge nach Dietzenbach. Die Familie Wolf hat die Familie Überreiter aufgenommen (Ehepaar mit 2 Töchtern), welche 3 Jahre lang bei Ihnen gelebt haben. Aufgrund der Aufnahme musste Ellen ihr großes Kinderzimmer aufgeben. Als ob das nicht genug war, wurde Frau Überreiter ihre Klassenlehrerin.
1949 kam der Bruder von Ellen zur Welt. In der Karlstr. 14 wurde es zu eng, und so zogen Elisabeth und Philipp Wurm mit ihren Kindern nach Heusenstamm.
Festzuhalten ist, dass die Familie Wurm eine große Familie in Dietzenbach war. Die Tochter Lina hat den einzigen Katholiken in Dietzenbach (Wiegand) geheiratet, dieser hat bei der Bahn als Einweiser gearbeitet. Die Ehe zu einem Katholiken war damals sehr problematisch. Im Kontrast zu Heusenstamm waren in Dietzenbach früher fast alle Christen Protestanten.
Heinrich Steinheimer war ein Freund der Familie und der Patenonkel von Ellen. Dieser hat als Beamter in Darmstadt gearbeitet und stand inoffiziell und ehrenamtlich vielen Dietzenbachern als Rentenberater zur Verfügung.