Oluk, Ayse

Ayse Oluk ist Diplom Wirtschaftsjuristin, L.L.M (FH)und seit 2013 Referentin bei der Beauftragten der Hessischen Landesregierung fürMenschen mit Behinderungen. Zuvor war sie als wissenschaftliche Hilfskraft am Lehrstuhl „Sozialrecht der Rehabilitation und der Recht behinderter Menschen” von Herrn Prof. Dr. Felix Welti an der Universität Kassel tätig. Seit 2011 ist sie aktiv als Autorin für das Online-Diskussionsforum „Rehabilitations- und Teilhaberecht” mit dem Schwerpunkt: Arbeits- und Sozialrecht.

Als Sie in Dietzenbach gelebt hat war Sie unter anderem in folgenden Bereichen aktiv:

  • Nachhilfelehrerin der VHS Dietzenbach
  • Mitglied im Ausländerbeirat

Aus der Offenbach Post vom 27.01.2010:
Aktion „Stärken vor Ort“ bietet Beratung für behinderte Migranten
Zuhören und Mut machen

Dietzenbach (scho) ‐ „Nicht unterkriegen lassen!“ Diese Botschaft mussten Ayse Oluk und Elif Dündar in den vergangenen Wochen so manchem Klienten mit auf den Weg geben.

Drei Monate lang haben die beiden Wirtschaftsjuristinnen offene Beratungsstunden für behinderte und chronisch kranke Menschen mit Migrationshintergrund angeboten. Das Projekt im Rahmen der Aktion „Stärken vor Ort“, ein Programm von Kreisverwaltung und Stadt mit Fördermitteln der Bundesregierung und der Europäischen Union, ist für die Ratsuchenden kostenfrei und zeigte schnell Erfolg. Etwa 20 Frauen und Männer aller Generationen fanden den Weg ins Jugendzentrum, wo die beiden Beraterinnen sonntags zu sprechen waren.

„In den meisten Fällen war es nicht mit einem einmaligen Gespräch getan“, berichtet Ayse Oluk. Im Schnitt kamen die Klienten dreimal, das Team musste recherchieren und Unterlagen zusammentragen, um die Situation zu erfassen. „Viele Leute waren völlig am Boden und ratlos, so dass wir sie erst aufbauen mussten“, erinnert sich Elif Dündar. Manche hatten eine wahre Odyssee von Ärzten zu Ämtern hinter sich und nicht selten aufgrund von Sprachschwierigkeiten noch lange nicht alles verstanden. Etwa die junge Frau, die plötzlich mit der Diagnose Multiple Sklerose fertig werden musste. Oder der ältere Mann mit Parkinson, der seine Arbeit nicht aufgeben möchte.

Schwerpunkt: Integration in den Arbeitsmarkt

Ausgestattet mit fachlichem Hintergrund arbeiteten sich die beiden Beraterinnen gemeinsam mit ihren Klienten durch Schriftverkehr mit Versorgungsamt oder Arbeitgebern, halfen bei Anträgen und Widersprüchen und stellten Kontakte her. „Wichtig war auch das Gespräch, mancher hat schon aufgeatmet bei dem Gefühl, da nimmt sich jemand Zeit und hört mir zu“, erzählt Oluk. Schwerpunkt der Beratung war auch immer die Integration in den Arbeitsmarkt. Vor allem junge Frauen mit Handicap nutzten das Angebot, um gemeinsam mit den Beraterinnen Bewerbungen und Lebensläufe zu schreiben und entsprechende Stellenausschreibungen zu suchen. „Dabei konnten wir auch vieles zu Weiterqualifizierung und Schulbildung erklären“, sagt Dündar.

Für Ayse Oluk, die von Kindheit an gehbehindert ist und gegen manchen Widerstand ihren Lebensweg zielstrebig bis zum aktuellen Studium „Master of law“ verfolgt hat, ist mit dem Projekt ein Traum in Erfüllung gegangen. „Ich weiß, was es heißt, behindert zu sein und will andere ermutigen, sich bloß nicht unterkriegen zu lassen.“ Gemeinsam mit Elif Dündar möchte sie nun das Angebot fortsetzen, ein entsprechender Antrag ist bereits gestellt. Eines der Ziele ist es, irgendwann eine Selbsthilfegruppe zu ermöglichen. „Betroffene sollen selbständiger und mutiger agieren können“, wünschen sich die beiden.

Hier geht es zum gesamten Artikel:
https://www.op-online.de/region/dietzenbach/zuhoeren-machen-606798.html


Aus der Offenbach Post vom 6.10.2009:
Als behinderte Migrantin hat es Ayse Oluk doppelt schwer
Anschluss an Gesellschaft und Beruf

Dietzenbach – Menschen mit Migrationshintergrund, die mit einer Behinderung leben müssen, sind oft doppelt belastet: Mangelnde Sprachkenntnisse machen es ihnen schwer, bei Institutionen und Behörden um Hilfe nachzusuchen, in der eigenen Familie fehlt ihnen nicht selten die Anerkennung als vollwertiges Mitglied. Von Barbara Scholze

Was es bedeutet, unter solchen Voraussetzungen zu einem selbstständigen Leben zu kommen, hat Ayse Oluk zumindest zum Teil selbst erfahren. Die gebürtige Türkin leidet seit Geburt an einer spastischen Gehbehinderung – was sie aber nicht daran gehindert hat, ihren Lebensweg mit Elan zu verfolgen. Die 33-Jährige hat ihr Diplom als Wirtschaftsjuristin in der Tasche und macht gerade ihren Master of Law. „Ich hatte Glück, meine Familie hat mir immer Akzeptanz, Unterstützung und Liebe entgegengebracht“, sagt sie.

Ein bisschen was von diesen Erfahrungen möchte Ayse Oluk nun weitergeben. Gemeinsam mit Elif Dündar wird sie ab kommendem Sonntag, 11. Oktober, zwölf Wochen lang Beratungsstunden für behinderte und chronisch kranke Menschen anbieten. Jeweils von 9 bis 12 Uhr können Betroffene und Angehörige im Jugendzentrum (Rodgaustraße 9) mit den beiden jungen Frauen ins Gespräch kommen. Das Projekt läuft im Rahmen der Aktion „Stärken vor Ort“, ein Programm der Kreisverwaltung mit Fördermitteln von Bundesregierung und Europäischer Union.

In den Gesprächen wird es neben Informationen zum Gesundheitswesen auch um Unterstützung beim Besuch von Ämtern und Behörden sowie um Integration in den Arbeitsmarkt gehen. „Unser Ziel ist der Anschluss an die Gesellschaft und an eine berufliche Tätigkeit – größtmögliche Selbstständigkeit eben“, sagt Oluk.


Betroffene beraten Betroffene

Die Idee für ein solches Beratungsangebot unter dem Motto „Betroffene beraten Betroffene“ hegte Ayse Oluk schon länger. „Ich habe in meiner Umgebung schwierige Situationen mit behinderten Migranten erlebt“, erzählt sie. Noch immer werde Behinderung nur schwer akzeptiert, vor allem in traditionellen islamischen Familien gelte sie als Stigma.

„Die Beeinträchtigung wird leider manchmal immer noch als Strafe Gottes angesehen“, hat die junge Frau erfahren. Oft akzeptierten die Familien das Handicap der Kinder nicht und förderten sie auch nicht. „Viele Eltern beantragen nicht einmal einen Behindertenausweis, denn dann wäre die Behinderung ja als Tatsache belegt“, weiß Oluk. Eine ganz besondere Problematik hat eine Beeinträchtigung meist für junge Frauen mit Migrationshintergrund. „Die Mädchen werden nicht als vollwertig angesehen, denn sie können nicht so einfach heiraten und haben meist keinen Beruf.“

Für die kommenden Wochen hofft Ayse Oluk nun auf zahlreiche Ratsuchende. „Wir möchten den Betroffenen gerne vermitteln, dass sie vollwertige Menschen sind und dass sie Durchhaltevermögen und Ehrgeiz haben sollen“, sagt sie. Möglichst keiner soll sich unterkriegen lassen.

Hier geht es zum vollständigen Artikel:
https://www.op-online.de/region/dietzenbach/anschluss-gesellschaft-beruf-486612.html


Aus dem Echo Online vom 29.05.2017:
Maren Müller-Erichsen und die gehbehinderte Ayse Oluk setzen sich für Menschen ein, die es im Alltag schwerer haben als die meisten

WIESBADEN – Rund jeder zehnte Hesse lebt mit einer Behinderung. Deren Teilhabe am gemeinschaftlichen Leben zu verbessern: Das ist eine Aufgabe, die das Land Maren Müller Erichsen und Ayse Oluk übertragen hat.
Frau Müller-Erichsen, gut zehn Prozent der Menschen in Hessen haben eine Behinderung. Und es werden immer mehr. Woran liegt das?

Die Zahl der Menschen mit Behinderungen steigt, obwohl beispielsweise Ungeborene mit Down-Syndrom selten das Glück haben, das Licht der Welt zu erblicken. Schon vor dem Bluttest wurden 98 Prozent der Kinder, bei denen das Down-Syndrom diagnostiziert worden ist, abgetrieben. Als Mutter eines Sohnes mit Down-Syndrom kann ich das kaum verstehen. Mit Blick auf die dennoch steigende Zahl von Menschen mit Behinderungen muss man allerdings wissen, dass die Zahl der genetisch-bedingten Behinderungen im Vergleich zu den anderen Gruppen der Menschen mit Behinderungen sehr gering ist.

Führt nicht auch die demografische Entwicklung dazu, dass es mehr Menschen mit Behinderungen gibt? Wer älter wird, wird gebrechlicher oder dement.
Grund für die Zunahme der Menschen mit Behinderungen ist mit Sicherheit, dass sie älter werden als früher gedacht. Sie erreichen fast das gleiche Lebensalter wie Menschen ohne Behinderungen. Aber auch die letztere Gruppe wird älter, oft bekommen sie eine Behinderung im Laufe ihres Lebens, beispielsweise Demenz. Zudem ist die Zahl von diagnostizierten psychischen Erkrankungen, die als Behinderung eingestuft werden, stark gestiegen.

Menschen mit Behinderungen sollen in die Gemeinschaft einbezogen werden: Das sieht eine Konvention der Vereinten Nationen vor. Wie weit sind wir in Hessen?
Wir wollen natürlich, dass alle am gemeinschaftlichen Leben teilhaben können. Da gibt es aber immer noch Barrieren, für jeden unterschiedlich. Der eine kann nicht sehen, was da geschrieben steht. Und ein Mensch, der nichts hört, bemerkt im Brandfall nicht die Rauchmeldeanlage. Inzwischen übernehmen Krankenkassen allerdings die Kosten für Rauchmelder, die von Gehörlosen wahrgenommen werden. Wenn aber ein Gehbehinderter eine Burg besichtigen will, kommt er dort nicht immer klar. Die Arbeitslosenquote bei Menschen mit Behinderungen ist – nicht nur in Hessen – mit 13,4 Prozent immer noch sehr viel höher als bei dem Rest der Bevölkerung. Viele Arbeitgeber fürchten, wenn sie Menschen mit Behinderungen einstellen, können sie ihnen nicht mehr kündigen. Das können sie allerdings – auch wenn es schwieriger ist. Insgesamt aber unternimmt das Land große Anstrengungen, etwa mit der Kampagne „Inklusion erleben“ oder mit dem „Tag der Menschen mit Behinderungen“.

Frau Oluk, Sie haben eine Gehbehinderung von Geburt an. Trotz der Beeinträchtigung haben Sie den Master als Wirtschaftsjuristin gemacht.

Ich komme aus einer türkischen Familie und wollte immer studieren. Ich hatte gehofft, Akademiker sind offen und würden mich mit meiner Behinderung akzeptieren. Ich war in einer Förderschule und habe dann meinen Haupt- und meinen Realschulabschluss gemacht, obwohl mich die Regelschule nicht aufnehmen wollte. Schließlich habe ich Fach-Abitur gemacht und an der Frankfurt University of Applied Sciences studiert. Einige Kommilitonen hatten mich gefragt, ob meine körperliche Behinderung auch geistige Auswirkungen hat. Die Frage war ernst gemeint. An der Hochschule gab es tolle Professoren, die mich unterstützt haben. Es gab aber auch jene, die meine Behinderung als Krankheit gesehen haben. Dieser Gedanke hat mich schon als Kind gestört.

Sind Sie im Job trotz ihrer Gehbehinderung voll einsatzfähig?
Ja, ich arbeite Vollzeit. Ich wäre zwar bei einem Hundert-Meter-Lauf beeinträchtigt, bin es aber nicht bei meiner Arbeit im Büro. Es gibt Menschen, die meinen, dass Menschen mit Behinderungen bevorzugt werden, etwa weil sie fünf Tage zusätzlichen Urlaub bekommen. Menschen mit Behinderungen wollen vor allem aber kein Mitleid, sondern Verständnis. Natürlich haben wir auch unsere Ängste und Hemmungen, die wir abbauen müssen.
Wir müssen einander auf Augenhöhe begegnen. Dazu braucht es Empathie und Gelassenheit auf beiden Seiten. Meine Behinderung gehört zu mir wie meine lockigen Haare. Das möchte ich rüberbringen. Denn wir möchten nicht über unsere Behinderungen, sondern – wie jeder andere Mensch auch – über unsere Persönlichkeit, Fähigkeit und Arbeit definiert werden.

Sie sind Muslima. Sie hatten einmal in einem Interview gesagt, in traditionellen, islamischen Familien gelte eine Behinderung als Stigma.

Ja, nach meiner Erfahrung kommt es in einigen Fällen vor. Schon als ich Kind war, haben Bekannte zu meinem Vater gesagt: „Du wirst Deine Tochter nie verheiraten können, was wird nur aus ihr?“ Meine Cousine in der Türkei hat das Down-Syndrom. Die Bekannten haben dann gefragt: Für was sind die Eltern bestraft worden? Dabei kommt es für Menschen mit Behinderungen darauf an, dass die Familie sie in allen Lebensbereichen fördert und partizipiert.
Es ist wichtig, dass die Beratungen für Menschen mit Behinderungen und Migrationshintergrund interkulturell angeboten werden, um diesen Personenkreis zu unterstützen, die sprachlichen, soziologischen sowie kulturellen Barrieren zu überwinden.


Das Interview führte Christoph Cuntz.

Hier es geht es zum vollständigen Artikel:
https://www.echo-online.de/politik/hessen/maren-muller-erichsen-und-die-gehbehinderte-ayse-oluk-setzen-sich-fur-menschen-ein-die-es-im-alltag-schwerer-haben-als-die-meisten_17925563

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