Demir, Hacer

Hacer Demir ist 1937 in Hatay in der Türkei geboren und aufgewachsen. Sie ist eine der ältesten von 7 Geschwistern. 1968 kam sie ,zusammen mit ihrem Mann, nach Deutschland und lebt seit 41 Jahren hier.

Frau Demir, haben Sie die Schule besucht damals in der Türkei?
Natürlich, in der Türkei in Antakya, die erste bis fünfte Klasse und dann bis zur achten Klasse eine Berufsschule.

Und haben Sie auch so etwas wie eine Ausbildung oder Fortbildung gemacht?
Ja, ich habe Näherei, also Schneiderin gelernt und Muster oder Stiche gemacht.

Ah, also Stickerei?
Ja, genau.

Und wann sind Sie nach Deutschland gekommen?
1968 bin ich in Deutschland gewesen.

Sie sind dann ohne Ihren Mann nach Deutschland gekommen?
An einem Montag habe ich den Antrag gestellt und am Freitag hatte ich meinen Pass und mein Reiseticket in der Hand, mit der Bitte, am Montag an dem Ort um die Zeit zu erscheinen. Morgens um neun bin ich losgefahren und war allein. Meine Kinder und meinen Mann habe ich in Istanbul zurückgelassen. Ich bin nach München gefahren, dort hat uns der AEG Chef empfangen und uns nach Frankfurt gebracht. In Frankfurt angekommen, haben wir uns in einem Heim eingerichtet und sie haben uns gezeigt, wo wir arbeiten werden. Zum Arbeiten brachte der Bus uns jeden Tag nach Langen. Später wurde für uns in Langen ein Heim gebaut. Dann sind wir in Langen geblieben. Später habe ich beantragt, meinen Mann herzuholen.

Und geheiratet haben Sie hier oder in der Türkei?
Nein, geheiratet habe ich in der Türkei. Habe zwei Kinder, einen Sohn und eine Tochter, beide habe ich dort zur Weltgebracht und dann bin ich nach Deutschland gekommen.

Warum sind Sie nach Deutschland gekommen?
Also wir dachten, hier ist Europa, hier wollten wir ein besseres Leben für unsere Kinder. Wir wollten, dass unsere Kinder auf eine bessere Schule gehen.

Und Sie hatten die Erwartung, dass in Deutschland ein schöneres Leben wartet?
Ja.

Und wurde Ihre Erwartung auch erfüllt?
Ja natürlich, wenn unsere Kinder zufrieden sind, sind wir es auch.

Warum sind Sie noch hier in Deutschland und nicht in der Türkei?
Ich bin schon 41 Jahre hier, wir fühlen uns zwar nicht fremd in der Türkei, aber irgendwie sind wir doch fremd, die Leute dort sind anders.

Das heißt, Sie leben lieber in Deutschland?
Ja

.Aber gehen Sie noch in die Türkei ab und zu?
Natürlich, natürlich.

Also Sie haben noch Kontakt zur alten Heimat?
Natürlich ja, Schwester und Bruder, alle leben noch in der Türkei.

Als Sie am Anfang nach Deutschland gekommen sind, was haben Sie von den Menschen hier gehalten?
Ich kam in eine Firma, es gab keine türkischen Mitarbeiter. Beim Einkaufen gaben wir unser Geld, egal was, dann lernten wir bis 20 und dann bis 100 zählen.

Das heißt, am Anfang waren Sie darauf angewiesen, den anderen Menschen zu vertrauen, weil Sie kaum deutsch konnten.
Ja, aber es gab gute Kontakte zu deutschen Leuten, sie haben uns einige Wörter beigebracht, z.B. wie Glas, das weiß man dann heute noch.

Das heißt, so haben Sie dann deutsch gelernt?
Ja genau.

Und Sie hatten das Gefühl, dass die Deutschen geholfen haben?
Ja natürlich.

Ja, und wie ist das jetzt?
Jetzt kommen keine Grüße, wenn sie Ausländer sehen, keine Grüße.

Also haben Sie das Gefühl, dass es heute anders ist.
Ja, aber wenn wir wieder sprechen würden, dann ginge es wieder gut.

Also glauben Sie, der Kontakt ist zu wenig?
Ja, der ist zu wenig.

Was machen Sie so in Ihrer Freizeit? Sind Sie in irgendeinem Verein?
Ich bin Rentnerin, ich gehe mit meinen Freundinnen zusammen laufen und einkaufen oder einen Kaffee trinken und sonst bin ich zuhause.

Ihre Kinder sind in der Türkei geboren?
Ja genau. Mein Sohn hat in der siebten Klasse in der Türkei ein bisschen Englisch gelernt und hatte hier keine Probleme. Er hat hier schnell Englisch und Deutsch gelernt. Meine Tochter ist mit 10 Jahren gekommen. Sie ging hier zur Schule. Und dann hat sie eine kaufmännische Schule besucht. Und sie ist jetzt wieder in der Türkei.

Okay und Ihr Sohn ist hier?
Ja, meine Tochter lebt in der Türkei und er hier.

Das heißt Ihre Kinder konnten eine schulische Ausbildung hier machen?
Ja, das konnten sie. Alle beide.

Waren Sie mit der Entwicklung Ihrer Kinder hier zufrieden?
Natürlich, und sie hatten auch mit vielen Leuten Kontakt.

Das heißt, Ihre Tochter ist dann wieder in die Türkei gegangen, weil sie dort leben wollte?
Ja, ihr Mann war Türke, er hat auch in Deutschland gelebt, aber dann wollten sie zurück in die Türkei.

Welche Erwartungen haben Sie an Ihre Zukunft hier in Deutschland?
Glauben Sie, Sie bleiben hier in Deutschland oder gehen wieder zurück?
Persönlich wollte ich ein halbes Jahr hier leben und einhalbes Jahr in der Türkei. Jetzt aber bin ich mehr in Deutschland und weniger inder Türkei.

Welche Vorschläge haben Sie für eine bessere Zukunft hier, zwischen Ausländern und Deutschen zum Beispiel?
Also Zukunft, wir wollen was erleben, aber leider mit einer kleinen Rente, da haben die Leute keine Chance für eine Zukunft.

Aber glauben Sie, dass sich das Zusammenleben zwischen Deutschen und Ausländern noch bessern könnte?Natürlich.

Okay, also einfach nur eine bessere Kommunikation?
Ja, genau.

Was meinen Sie, wie sollte Dietzenbach in 10 Jahren aussehen?
Ich komme aus Langen, ich lebe seit 7 Jahren hier, ich war 30 Jahre vorher in Langen. Da hatten wir viele deutsche Bekannte, spanische Bekannte. Die kamen zu uns zum Kaffee trinken.

Und hier in Dietzenbach ist das nicht so?
Nein, durch die Rente.

Als Sie noch gearbeitet haben, da war das besser?
Ja.

Frau Demir, was ist für Sie Glück?
Glück ist für mich Leben. Alles, was du erlebst und siehst im Leben, ist Glück. Mein Mann und ich, wir haben im Jahr 1955 geheiratet und waren bis 2003 zusammen. Gott sei Dank gab es keine Probleme. In jeder Familie gibt es natürlich kleine Probleme, aber wir waren ehrlich zueinander. Weil wir ehrlich zueinander waren, ist die Ehe auch gelaufen. Den jungen Leuten schlage ich daher folgendes vor: wenn sie sich entschließen, eine Person zu heiraten, dann am besten nur, wenn sie ihr auch tatsächlich vertrauen können.

Was müssen Ihrer Meinung nach die jungen Menschen tun, damit sich die Älteren wohl fühlen?
Sie müssen ihnen Respekt und Liebe zeigen. Ihnen helfen. Jetzt zum Beispiel sieht man kaum noch bei den Jugendlichen Respekt und Liebe. Das was wir unter Respekt und Liebe verstehen, ist das, was wir von unseren Eltern kennengelernt haben. Z.B. wenn eine ältere Person den Raum betritt, sitzen die jungen Leute nicht bein überschlagen vor ihnen, das ist nach unserer Tradition respektlos. Wenn der Ältere etwas Schweres trägt, sollte er von Jüngeren Hilfe beim Tragen bekommen, oder sie lassen ihn nicht in einem Bus stehen, sondern bieten ihren Sitzplatz an. Ich wünsche mir, dass die jungen Menschen einfach gutmütig sind.

Vielen Dank für das Interview. Ich bedanke mich auch.

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