Küpelikilinc, Abdi

Abdi Küpelikilinc kommt aus Kahramanmaras in der Türkei und ist dort 1943 geboren. Er kam 1968 nach Deutschland. Sein Bruder lebt ebenfalls in Deutschland, seine Schwester in der Türkei.


Gemeinsam Zukunft gestalten
Aus dem Projekt zum Dialog der Generationen:

Herr Küpelikilinc, wo und wie verbrachten Sie Ihre Kindheit?
Meine Kindheit verbrachte ich in Kahramanmaras, in der Ortschaft Düzbag. Wir lebten in Armut, daher arbeiteten wir mal hier mal da, um unseren Lebensunterhalt zu sichern.

Wie lange konnten Sie zur Schule gehen?
Ich bin sieben Jahre zur Schule gegangen, habe also nur die Grundschule in Düzbag beendet.

Sind Ihre Geschwister auch zur Schule gegangen?
Nein, sind sie nicht. Die Eltern waren damals auch nicht für den Schulbesuch, einige von uns schafften es aus eigenem Bestreben bzw. Bemühen, so dass wir die Grundschule, wenn auch sehr mühsam, beenden konnten.

Sie sagten, dass Sie 1943 geboren sind und 1968 nach Deutschland kamen. Das heißt also, dass Sie mit 25 Jahren nach Deutschland eingewandert sind. Wie verbrachten Sie Ihre Jugend?
Wie soll ich meine Jugend schildern. Wenn ich Ihnen meine gesamte Jugendzeit erzählen würde, würde ich einen langen Roman erzählen.

Wir beabsichtigen ja sowieso ein Buch zu schreiben!
Also, ich hatte keine allzu schöne Jugend.

Womit haben Sie sich beschäftigt?
Mit dem Ackerbau, meine Jugend verbrachte ich im Garten, auf dem Feld, usw.

Sie haben Garten und Ackerland bestellt. Konnten Sie sich denn mit dem Verdienst eines Bauern Ihren Lebensunterhalt sichern?
Klar, konnten wir.

Warum sind Sie nach Deutschland eingewandert?
Mit unserer Einwanderung beabsichtigten wir natürlich primär aus der Armut raus zu kommen, vor allem genügend Geld für den Kauf eines Hauses zu verdienen und anschließend wieder zurück zu unserem Dorf zu kehren. Aber die Rückkehr ist uns leider nicht gelungen und mittlerweile wollen wir auch nicht mehr zurück.1969 holte ich meine Ehefrau auch nach Deutschland. Von da an haben wir stets gearbeitet und nun sind wir beide Rentner und mit unserem Leben zufrieden.

Also bedauern Sie trotz des Fehlschlagens der geplanten Auswanderung nicht Ihren hiesigen Aufenthalt.
Nein, das bedauern wir nicht, wir sind zufrieden.

Wo und wie haben Sie Ihre Ehefrau kennengelernt?
Meine Frau habe ich auf der Alm kennengelernt. Es besteht keinerlei Verwandtschaft zwischen uns. Wir gingen im Sommer auf die Alm, dort haben wir uns kennengelernt. Wir waren noch sehr jung, so dass wir uns anfangs gar nicht über die Bedeutung eines Ehelebensbewusst waren.

Wie alt waren Sie als Sie geheiratet haben?
Ich war um die 18-19 Jahre alt und meine Frau war erst 13 als wir uns kennen lernten. Ich habe sie zwar schon mit 13 Jahren kennengelernt, aber geheiratet haben wir erst neun Jahre später.

Haben Sie Kinder?
Ja, vier. Zwei Söhne und zwei Töchter.

Wie alt sind sie?
Der älteste ist 1968 geboren, nachdem ich nach Deutschland kam, die älteste Tochter ist 1972 geboren, die andere 1975 und der jüngste im Jahre 1981. Seine Hochzeit war erst vor kurzem.

Die Hochzeit des Jüngsten?
Ja.

Haben Sie auch Enkelkinder?
Ja, ich habe fünf Enkelkinder.

Schön, und ihnen geht es auch gut?
Ja. Sie sind gesund, Gott sei Dank.

Türkische Staatsbürger müssen ihren Militärdienst vor dem zwanzigsten Lebensjahr antreten, hatten Sie bereits Ihren Militärdienst geleistet?
Natürlich, vor meiner Einwanderung noch habe ich meinen 24-monatigen Militärdienst geleistet. Meine Söhne haben auch ihren Militärdienst absolviert.

Mit welchen Erwartungen sind Sie nach Deutschland gekommen? Haben sich Ihre Erwartungen auch erfüllt?
Wie ich es bereits geschildert habe, uns ging es vor allem darum, etwas Geld zu verdienen und so schnell wie möglich zurück zu kehren. Jedoch kam meine Frau 1969 auch nach Deutschland. Wir bekamen vier Kinder, so dass unsere Träume nach und nach in Vergessenheit geraten sind.

Hat also der schulische Werdegang der Kinder die Rückkehr in Ihre Heimat verhindert?
Ja, und aufgrund dessen könnten wir, auch wenn wir es wollten, nicht mehr zurück. Wir pendeln zwischen der Türkei und Deutschland, solange unsere Kinder hier sind. Unsere Kinder betrachten Deutschland als ihr Vaterland.

Und was ist der wahre Hinderungsgrund Ihrer Rückkehr?
Die Kinder sind hier zur Welt gekommen. Hätte ich mich für die Rückkehr in meine Heimat entschieden, so hätten meine Kinder Integrationsprobleme gehabt. Aufgrund dessen war ich gezwungen, in Deutschland zu bleiben.

Denken Sie, dass neben der eventuellen Integrationsproblematik Ihrer Kinder auch die wirtschaftliche Situation der beiden Länder Ihre Entscheidung beeinflusst hat?
Selbstverständlich. Während unserem Urlaubsaufenthalt haben wir die wirtschaftlichen Zustände der dort Lebenden miterlebt bzw. beobachten können. Außerdem bereuten diejenigen, die wieder in ihre Heimat zurückgekehrt sind, ihre Entscheidung, so dass wir letztendlich mit unserem damaligen Entschluss sehr zufrieden sind.

Haben Sie Bekannte, die mit Ihnen damals nach Deutschland eingewandert und nun wieder in die Türkei zurückgekehrt sind?
Ja, ich habe Freunde aus Elbistan, die leben nun in sehr kümmerlichen bzw. armseligen Umständen. Sie haben sehr bereut, dass sie zurückgekehrt sind.

Das war dann ein Beispiel für Sie?
Klar, nach solchen Beobachtungen haben wir uns für das endgültige Dableiben entschieden.

Was für eine Bindung pflegen Sie zu der Türkei, sei es zu Düzbag oder zu Kahramanmaras?
Eine sehr gute Bindung. Früher zu meiner berufstätigen Zeit verbrachten wir sechs Wochen in der Türkei, nun verbringe ich mittlerweile 6 Monate im Jahr dort. Ich verbringe meine Zeit dort, indem ich sowohl in Düzbagi als auch in Kahramanmaras Ausflüge unternehme.

Haben Sie Bekannte oder Verwandte dort?
Ja, einen Cousin väterlicherseits und einige Verwandte. Ein Teil von ihnen wohnt in Kahramanmaras und ein Teil in Düzbag. Wir besuchen sie regelmäßig, halten unser Verwandtschaftsverhältnis somit nach wie vor aufrecht.

Wie sind Ihre Empfindungen, wenn Sie in die Türkei verreisen?
Merken Sie, dass eine Entfremdung eingetreten ist? Sieht man Sie dort als einen einheimischen oder als einen Deutschtürken?

Natürlich gibt es viele Unterschiede zu früher. Viele unserer Freunde sind mittlerweile verstorben. Die jüngere Generation kennt uns nicht, sie betrachtet uns als Fremde.

Also sind Sie in Deutschland ein Ausländer und in der Türkei ein Deutschtürke?
Genauso ist es.

Welche Vorstellung bzw. Meinung hatten Sie über Deutschland zum Zeitpunkt Ihrer ersten Einreise?
Die Ungewissheit und das Unwissen über das Land war erschreckend für uns. Der Gedanke, wie man mit uns umgehen wird, wie wir uns entsprechend integrieren können, bereitete uns Sorgen. Mit der Zeit haben wir jedoch gesehen, dass sie sehr gute und hilfsbereite Menschen sind. Dennoch haben wir große Schwierigkeiten mit der Sprache gehabt, so dass wir alles bejaht haben, selbst wenn es sich um eine schlimme Äußerung handelte.

Sie fühlen sich also grundsätzlich wohl in Deutschland?
Ja, wir sind sehr zufrieden.

Und wie finden Sie das deutsche Rechtssystem?
Im Vergleich zu unserem Land ist es hier viel harmonischer und friedlicher. Zum Beispiel bekommen wir hier die Wahlen in der Türkei nur aus den Medien mit. In der Türkei werden jedoch drei Monate vorher überall Fahnen aufgehängt und Plakate aufgestellt. Europa ist in der Hinsicht jedoch anders.

Die Türkei will Mitglied der Europäischen Union werden? Was denken Sie über das Thema?
Das Thema können wir überspringen, da wir es sowieso nicht mehr erleben werden. Ob unsere Kinder diese Erfahrung machen werden, kann ich nicht wissen.

Seien Sie doch nicht so pessimistisch, ich glaube schon daran, dass die Türkei in acht Jahren Mitglied der Europäischen Union sein wird.
Wollen wir es mal hoffen. Ich habe da keine großen Hoffnungen.

Wie denken Sie über das soziale System der BRD?
Das soziale System funktioniert zwar sehr gut, jedoch wird bei Ausländern gespart, sie werden schlecht bezahlt. Vielleicht liegt das an der wirtschaftlichen Lage, das kann ich nicht wissen. Die Bürger sind beispielsweise in den Ländern wie Frankreich, Holland, Belgien oder Dänemark in punkto Sozialsystem besser gestellt. Zum Vergleich kann ich folgendes Beispiel vorbringen. Meine Schwägerin, die 15 Jahre in Dänemark gearbeitet hat, bekommt 1.300 € Rente, wogegen meine Frau 32 Jahren gearbeitet hat und lediglich 750 € Rente erhält. Hier ist es also wenig und es gibt viele Abzüge. Das uns zur Verfügung stehende Geld stellt uns zwar nicht zufrieden, wir sind aber dennoch aufgrund unserer Kinder gezwungen hier zu bleiben. Wir können in die Türkei nicht zurückkehren.

Könnte dies aber vielleicht doch daran liegen, dass zu der Zeit, in dem die Gastarbeiter eingewandert sind, grundsätzlich wenig verdient wurde?
Ja. Ich habe mich eben nicht richtig ausdrücken können .Letztendlich besitzen wir die gleichen Rechte wie die Deutschen auch und es werden bei ihnen genauso viele Steuern einbehalten wie bei uns auch. Es könnte jedoch an dem damaligen geringen Einkommen liegen, da haben Sie Recht.

Sie sind über 65 und verbringen die Hälfte des Jahres in der Türkei, wie stellen Sie sich Ihre Zukunft in Deutschland vor?
Die deutsche Wirtschaft befindet sich momentan in einer Rezession. Ich hoffe, dass sich dieser Zustand verbessert und dass wir die Situation der früheren Jahre erleben. Es wäre nicht angebracht, wenn ich etwas sage.

Glauben Sie, dass der deutsche Staat für die hier lebenden Rentner mit Migrationshintergrund genügend Interesse zeigt?
Ich bin der Meinung, dass ältere Menschen sogar bessergestellt sind als Jugendliche. Ich habe bislang zum Beispiel keinerlei schlechte Erfahrungen erlebt.

Hätten Sie einen Verbesserungsvorschlag zum Thema Betreuung der Ausländer bzw. ältere Personen mit Migrationshintergrund?
Ich würde mir wünschen, dass uns künftig mehr Interessegezeigt wird, sei es in finanzieller Hinsicht oder auch im immateriellen Sinne. Natürlich haben wir in diesem Sinne Erwartungen.

Ich bedanke mich recht herzlich für das Gespräch, hoffe, dass es auch Ihnen gefallen hat.
Ich hab zu danken.

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